Tom Thorne 08 - Die Schuld des Blutes
Schwierigkeiten bereite und er ihre Kochkünste vermisse. Sie heuchelte Mitgefühl, wobei sie genau wusste, dass er wie die Made im Speck lebte, den ganzen Tag im Unterhemd herumsaß und sich von Takeaway und Dosenbier ernährte. Eine nette, gutgemeinte Lüge. Doch in letzter Zeit hatte sie viel Zeit damit verbracht, über die weniger netten Lügen nachzudenken, die man sich selbst und dem anderen den lieben langen Tag erzählt. Über die Jahre, die ihnen noch blieben, und den Krebs, der besiegt war.
»Es ist seltsam, Schatz«, hatte er gesagt, »dass du nicht da bist.«
Chamberlain versuchte, die Unterlagen zu ordnen und etwas Platz auf dem Bett zu schaffen, um sich hinlegen zu können. Ja, sie war weg, warum sollte sie sich also nicht auch anders verhalten? Sie griff nach dem Glas, das neben dem Fernseher stand, und ging ins Bad.
Trotz des Ausmaßes der Anthony-Garvey-Ermittlung hatte Thorne wie jeder andere Detective der Mordkommission noch andere Fälle auf der Agenda. Die Typen, die ihr Ehegespons beseitigen oder Leute abstechen wollten, weil sie ihre Turnschuhe nicht mit ausreichend Respekt behandelten, nahmen keine Rücksicht darauf, dass ein Serienmörder die Zeit der Polizei beanspruchte. Außerdem waren da noch die gelösten Fälle, die vor Gericht kamen. Die Beweise mussten sorgfältig überprüft und vorbereitet und die Vorgehensweise mit der Staatsanwaltschaft abgestimmt werden. Das kostete Zeit. Wenn dann die Verhandlung näherrückte, rief die Staatsanwaltschaft oft stündlich an, um die Überlegungen und Wünsche jener weiterzugeben, die ihren Klienten das Gefängnis ersparen wollten.
Da er zu der Suche nach Dowd, Fowler und Walsh nicht viel beitragen konnte und Kitson sich um das Maier-Foto kümmerte, hatte Thorne den Großteil des Vormittags damit verbracht, die liegengebliebene Arbeit zu erledigen: Den Totschlag in einem Park in Walthamstow, dabei ging es um einen dreizehnjährigen Jungen, der von einer Bande älterer Mädchen totgeprügelt worden war; den Brandanschlag in einem Wohnblock in Hammersmith, bei dem ein älteres Ehepaar ums Leben kam. Nach der Mittagspause rief jemand von der Staatsanwaltschaft namens Hobbs mit deprimierenden Neuigkeiten an. Vor acht Monaten war eine junge Frau bei einem versuchten Autodiebstahl in Chiswick getötet worden. Sie war, nachdem sie eingekauft hatte, in ihr Auto gestiegen und hatte angehalten, als sie ein großes Blatt Papier an ihrem Rückfenster sah. Sie hielt am Seitenrand und stieg aus, in diesem Augenblick sprang aus dem Wagen hinter ihr ein Mann heraus
und versuchte, ihr Auto zu stehlen. Sie wollte ihn aufhalten und geriet unter die Räder. Nach einer Woche beschloss ihr Mann, die lebenserhaltenden Maschinen abschalten zu lassen.
»Patrick Jennings hat die Verteidigung übernommen«, sagte Hobbs. »Er ist zuversichtlich, dass er mit Totschlag durchkommt.«
»Keine Chance«, sagte Thorne.
»Behauptet, er weiß genau, wo er den Hebel ansetzen muss. Setzt darauf, dass die Frau selber schuld war. Er hat vor, einen Berg Infomaterial der Met-Kampagne zu präsentieren, in dem Opfer aufgefordert werden, sich nicht zur Wehr zu setzen, sondern im Fall einer Bedrohung ihr Eigentum kampflos aufzugeben.«
»Sie wollen mir einen Bären aufbinden.«
»Er beherrscht diese Masche inzwischen ziemlich gut. Letzten Monat verteidigte er einen Jungen, der das Auto einer Frau stehlen wollte, indem er an einer Tankstelle auf den Rücksitz kletterte, während sie zahlte.«
»Scheiße, das war Jennings?«
»Verstehen Sie, worauf ich hinauswill?«
Der Prozess hatte zu einem Aufruhr in der Presse geführt, ganz zu schweigen von der Rauferei auf den Stufen zum Gerichtsgebäude. Der Tankwart hatte gesehen, wie der Junge ins Auto gestiegen war, und hielt die Frau in der Tankstelle zurück, während er die Polizei verständigte. Später stellte sich heraus, dass der Junge bereits wegen sexueller Übergriffe verurteilt worden war, aber da er keine Waffe bei sich hatte, gelang es der Verteidigung, die Anklage auf unbefugtes Eindringen herunterzuhandeln, sodass der Junge mit einer Strafe von zweihundert Pfund davonkam.
»Wir müssen aufpassen, das ist alles«, sagte Hobbs. »Dürfen
dem Arsch nichts geben, was er gegen uns verwenden kann.«
»Werden wir nicht.«
»Das müssen wir unbedingt vermeiden«, sagte Hobbs. »Sie nennen ihn schon den Rabatt-Jennings.«
Eine Menge Arbeit, dazu der furchterregende Stapel von Akten, der noch abgearbeitet werden musste, und
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