Tom Thorne 09 - Das Geständnis des Toten
Helen klickte die Datei an, um sie zu öffnen, und wurde aufgefordert, ein Passwort einzugeben.
Sie starrte auf das leere Kästchen und den blinkenden Cursor darin. Dann gab sie Pauls Familiennamen und Geburtsdatum ein. Er hatte, wie die meisten, sein Geburtsdatum als PIN für sein Bankkonto benutzt.
Vergebens.
Sie probierte es mit dem Namen seiner Mutter, ihrem jetzigen und ihrem Mädchennamen, dem Namen seines Vaters, dann mit ihrem eigenen Namen, und sie fragte sich, als sie ihn eingab, warum sie erst jetzt daran dachte.
Das angegebene Kennwort ist ungültig.
Mein Gott, wie schwierig war das noch? Paul war kein Computercrack … gewesen .
Victoria …
Vielleicht hatte er sich ja doch revanchiert. Steckte da tatsächlich nicht mehr als ein Seitensprung dahinter? Und noch dazu mit einer Victoria. Ein entsetzlicher Gedanke, aber womöglich nicht ganz so entsetzlich wie die Alternative.
Dann bräuchte sie nur noch eine simple Erklärung für Kevin Shepherd. Und für Frank Linnell.
Sie hackte auf die Tastatur ein, schimpfte, wenn sie sich
vertippte oder versehentlich die Feststelltaste drückte. Sie probierte alles aus, was ihr in den Sinn kam, und drückte die Eingabetaste. Alles, was Paul etwas bedeuten könnte: den Namen seines besten Schulfreunds; des Hundes, den er als Kind hatte; Queens Park Rangers; Gesprengte Ketten ; den blöden Freddie Mercury …
Das angegebene Kennwort …
Sie schlug den Deckel so hart zu, wie sie es gerade noch wagte, und blieb sitzen, bis ihr Atem sich beruhigte und der Schweiß auf ihrem Hals und den Schultern abkühlte.
Jennys Mann, Tim, kannte sich mit Computern aus. Er hatte sie oft genug mit Netzwerken und Firewalls zu Tode gelangweilt. Vielleicht sollte sie ihn um Hilfe bitten. Doch sie überlegte es sich schnell anders. Für Jenny wäre das ein gefundenes Fressen, sie würde sie endlos löchern. Sie könnte Tim bitten, sich heimlich darum zu kümmern und die Sache für sich zu behalten. Ihm dafür einen Blowjob anbieten. Er hatte schon immer eine Schwäche für sie gehabt.
Mein Gott, wie kam sie nur auf so was?
Das Baby trat sie kräftig. Ihr wurde schwindlig. Sie ging in die Küche und trank eine halbe Flasche Wasser.
Als sie sich wieder etwas sicherer auf den Beinen fühlte, nahm sie den Laptop mit ins Schlafzimmer, wickelte ihn in die Plastiktüte und schob ihn unten in den Schrank hinter Pauls Gitarre. Dabei stieg ihr die Röte ins Gesicht, aber sie war sich sicher: Was immer sich auf dieser Festplatte befand, es war besser in einem Versteck aufgehoben.
Vielleicht kannte Frank Linnell die Antwort. Es würde nur schwierig werden, ihn zu finden. Sie konnte unmöglich jemanden fragen, ohne zu erklären, warum sie ihn suchte. Und sie konnte auch nicht einfach in ihr Büro spazieren und sich an ihren Computer setzen. Ein Autokennzeichen einzugeben, um den Besitzer eines Autos ausfindig zu machen, wie
sie es bei Ray Jackson getan hatte, war eine einfache Sache. Aber dazu müsste sie in PNC rein, und das hieß, sie musste sich einloggen und ihr Passwort eingeben. Damit wäre der Zugriff aufgezeichnet.
Gott, wenn sie nur den Namen von einem von Linnells Unternehmen hätte, dann wäre sie bereits mit Hilfe des Telefonbuchs am Ziel.
Sie ging ins Wohnzimmer und sah sich Pauls Sachen durch, die noch auf dem Tisch lagen, wo sie sie hingelegt hatte: seinen Terminkalender, die Kassetten und CDs, die Straßenkarte aus dem Auto, sein Navi.
»Komm schon, Hopwood, gib’s zu. Das ist einfach genial …«
Vielleicht war es das auch nicht, aber es war eine gute Idee. Und selbst wenn es sie Zeit kostete, davon hatte sie genug.
Vielleicht war die Technik diesmal auf ihrer Seite.
24
Sie fanden SnapZ gleich am Morgen.
Nun wimmelte es in der Sozialsiedlung wieder von Polizei. Es wurde gebrüllt und die Sirenen heulten, der übliche Morgenchor. Eine blaue Decke, von Wagen verstopfte Seitenstraßen und das flatternde gelbe Band am Eingang zu dem Block, in dem SnapZ wohnte. Die Gerüchteküche war ziemlich schnell am Dampfen, mittags wusste jeder, der Ohren hatte, Bescheid.
Einer aus der Gang war tot. Wieder einer.
Nach Auskunft irgendeines Superschlauen, der es wiederum von einem geschwätzigen Bullen wusste, hatte eine Freundin gestern die Polizei angerufen, als sie SnapZ vierundzwanzig Stunden nicht auf seinem Handy erreichen konnte.
Was pflichtschuldigst vermerkt und vergessen wurde. Vierundzwanzig Stunden zuvor hatte eine Frau angerufen und sich über den Lärm in einer
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