Tony Mendez 01 - Schwärzer als der Tod
Zimmer. Sein Vater legte Tommy eine Hand auf die Schulter und sah ihn an. »Bist du sicher, dass du dableiben willst, Sportsfreund?«
Tommy nickte. Er war sicher. Vor allem jetzt. Das Letzte, was er wollte, war, mit seiner Mutter zusammen sein zu müssen, wenn sie eine ihrer Launen hatte.
Sein Vater klopfte ihm auf die Schulter und erhob sich.
»Miss Navarre, ich danke Ihnen für Ihre Bemühungen. Falls ich irgendetwas tun kann, lassen Sie es mich bitte wissen.« Er drehte sich zu Detective Mendez. »Viel Glück bei Ihrer Ermittlung, Detective. Klingt so, als hätten Sie viel Arbeit vor sich, wenn dieser Kerl der ist, für den Sie ihn halten.«
»Keiner ist so schlau, dass wir ihn am Ende nicht doch erwischen«, sagte Mendez.
»Und falls er es doch ist«, sagte Tommys Vater, »dann werden wir es wohl nie erfahren, oder?«
Er gab Mendez und Miss Navarre seine Visitenkarte, drückte noch einmal Tommys Schulter und ging.
Tommy stieß einen Seufzer aus und rieb sich geistesabwesend den Arm. »Können wir jetzt in die Klasse gehen, Miss Navarre? Ich will, dass alles wieder ganz normal ist.«
»Klar, Tommy«, erwiderte sie. »Lass uns gehen und etwas Normales machen.«
Tommy wusste natürlich, dass niemals wieder alles normal für ihn sein würde, aber er könnte ja mal so tun.
12
Karly Vickers wohnte in einem Häuschen, das dem Thomas Center gehörte. Das Center hatte ihr eine Stelle am Empfang einer Anwaltskanzlei verschafft. Während ihrer zweimonatigen Probezeit wollten ihr Quinn, Morgan und Kollegen das volle Gehalt zahlen. Sollte die Kanzlei sie übernehmen, würde Karly Vickers dem Center zunächst die Kosten für Heizung und Strom überweisen. Als Nächstes würde sie anfangen, eine kleine Miete zu zahlen, ein weiterer Schritt in Richtung Selbstständigkeit. Wenn sie dann wieder ganz auf eigenen Füßen stand, würde sie sich mithilfe des Centers eine neue Unterkunft suchen, sodass das Häuschen frei wäre für eine andere Frau, die ein neues Leben beginnen wollte.
Jane fuhr direkt zu dem Häuschen. Sie nahm sich nicht die Zeit, ihre Assistentin anzurufen. Sie nahm sich nicht einmal die Zeit, sich umzuziehen.
Man hat eine ermordete Frau gefunden …
Die Sorge um Karly Vickers ließ ihr keine Ruhe.
Von Karlys Auto, einem alten Chevy Nova, der ihr gehörte, war nichts zu sehen.
Vielleicht hatte sie ja kalte Füße wegen der Stelle bekommen, sagte sich Jane. Die einundzwanzigjährige Karly war mit einem mehr als angeknacksten Selbstbewusstsein aus Simi Valley ins Center gekommen. Sie war vor ihrem gewalttätigen Freund geflohen, der sie so schwer misshandelte, dass nicht einmal ihre eigene Mutter sie wiedererkannt hatte. Der Freund war untergetaucht und hatte Karly so zerstört zurückgelassen, dass sie anderthalb Jahre gebraucht hatte, um sich körperlich und seelisch wieder halbwegs zu erholen.
Jane hatte einmal ein Foto von ihm gesehen, und sein Gesicht hatte sich ihr eingebrannt. Soweit sie wusste, befand
er sich nach wie vor auf freiem Fuß. Könnte er herausbekommen haben, wo Karly jetzt lebte? Karly hatte sich bei der Anmeldung für das Programm des Centers vertraglich verpflichtet, niemandem, nicht einmal ihrer Familie, zu verraten, wo sie sich aufhielt. Die regelmäßigen Telefonate mit ihrer Mutter wurden sorgfältig vorbereitet und überwacht. Von ihrem Häuschen aus konnte Karly nur Ortsgespräche führen.
Aber Jane wusste genau, dass viele Frauen Dinge taten, die ihnen schadeten. Sie hatte misshandelte Frauen kennengelernt, die immer wieder zu dem Mann, der sie schlug, zurückkehrten. Oft konnten sie einfach nicht die Kraft aufbringen, die nötig war, solch einen Teufelskreis zu durchbrechen.
Die Eingangstür des Häuschens war zugesperrt, was darauf hindeutete, dass Karly es aus freien Stücken verlassen hatte. Jane hatte Schlüssel für sämtliche Häuser des Centers. Überraschungsbesuche waren Teil der Abmachung. Sie ging ins Haus und sah sich um, wobei sie darauf achtete, nichts anzufassen.
»Karly? Bist du zu Hause? Ich bin’s, Jane.«
Das Haus war tadellos aufgeräumt. Nur ein paar Dinge ließen darauf schließen, dass hier überhaupt jemand wohnte: An einem Haken an der Haustür hing eine Jeansjacke, auf einem Tischchen neben dem Sofa lag ein Buch über Missbrauch, auf dem Küchenboden standen zwei rosafarbene Näpfe. Aber keine Spur von Karly oder ihrem Hund.
Das Bett war gemacht. Das Badezimmer frisch geputzt. Die Küche blitzte.
Jane ging durch die Hintertür in den
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