Tony Mendez 01 - Schwärzer als der Tod
lächelte ihn an, als wolle sie ihm Mut machen.
»Hast du gestern Nacht schlafen können, Tommy?«, fragte Miss Navarre, nachdem sie sich alle an den langen Tisch gesetzt hatten.
»Er hat durchgeschlafen«, erklärte seine Mutter. »Ich habe ihm ein Antihistaminikum gegeben, bevor er ins Bett gegangen ist. Zur Beruhigung.«
Detective Mendez hob eine Augenbraue, sah Tommys Mutter jedoch nicht an. Er fummelte an seinem Kassettenrekorder herum und blätterte in irgendwelchen Unterlagen.
»Tommy leidet an verschiedenen Allergien«, fuhr seine
Mutter fort. »Er hat das Medikament verschrieben bekommen. Es ist nichts, was er nicht schon früher genommen hat.«
Der Detective sprach in den Kassettenrekorder und zählte auf, wer anwesend war.
»Dr. Crane. Was für ein Arzt sind Sie?«
»Ich bin Zahnarzt. Tommy hat natürlich einen Kinderarzt.«
Mendez schob die Unterlippe vor und machte: »Hmmm.«
Tommys Mutter runzelte verärgert die Stirn. Sie empfand das Verhalten des Detectives als missbilligend. Tommy erkannte es daran, wie sie die Augen zusammenkniff und die Lippen aufeinanderpresste.
»Ich habe gestern Abend mit seinem Arzt gesprochen«, sagte sie. »Ich war besorgt, dass Tommy Albträume haben könnte.«
»Tommy, hattest du Albträume?«, fragte der Detective. »Du hast gestern ja einen ganz schönen Schrecken bekommen.«
Tommy schüttelte den Kopf und kratzte sich am linken Unterarm, wo die aufgeschrammten Stellen zu jucken begonnen hatten.
»Wirklich nicht? Das ist erstaunlich. Ich hatte Albträume. Miss Navarre hatte Albträume.«
»Ich habe nur geschlafen«, sagte Tommy, den Blick auf die Tischplatte gerichtet.
»Kannst du mir erzählen, was gestern passiert ist?«
»Wir sind gerannt, und dann sind wir einen Abhang runtergefallen, und ich bin auf der toten Frau gelandet.« Kurz und bündig.
»Hast du in der Nähe jemanden gesehen? Einen Erwachsenen?«
»Nein.«
»Glauben Sie, der Mörder könnte noch in der Nähe gewesen sein?«, fragte Tommys Mutter erschrocken.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Mendez. »Ich frage nur.«
»Dann hat er die Kinder möglicherweise gesehen«, fuhr Tommys Mutter mit weit aufgerissenen Augen fort. »Und jetzt stehen ihre Namen in der Zeitung.«
Mendez warf ihr einen Blick zu. »Sie sind minderjährig. Ohne Erlaubnis darf niemand ihre Namen veröffentlichen.«
»Wir werden ganz sicher keine Erlaubnis erteilen.«
»Es ist doch wohl nicht sehr wahrscheinlich, dass der Mörder noch dort war«, sagte Tommys Vater. »Oder? Ich meine, er müsste verrückt sein, wenn er am helllichten Tag eine Leiche im Park vergräbt.«
»Wer außer einem Verrückten würde überhaupt so etwas tun?«, fragte seine Mutter.
»Sie wären überrascht, Mrs Crane«, sagte Detective Mendez. »Ich habe mich mit solchen Fällen eingehend beschäftigt. Nach außen hin könnte der Täter genauso normal erscheinen wie jeder andere hier im Raum. Er ist nicht im landläufigen Sinn verrückt. Wahrscheinlich ist er sogar überdurchschnittlich intelligent.«
»Das ist erschreckend«, sagte Tommys Vater.
»Ted Bundy hatte Jura studiert. Er war für die Republikaner aktiv, und die Parteispitze war der Ansicht, er habe eine glänzende Zukunft vor sich. Er ermordete …«
Miss Navarre räusperte sich, so wie Leute es taten, wenn sie wollten, dass jemand den Mund hielt. Mendez sah sie an, und sie deutete mit dem Kopf in Tommys Richtung.
Tommy nahm sich vor, diesen Bundy im Lexikon nachzuschlagen.
»Glauben Sie, dass es sich hier um einen ähnlichen Fall handelt, Detective?«, fragte Tommys Vater. »Ein Serienmörder? Gibt es dafür irgendwelche Anhaltspunkte?«
Detective Mendez machte ein Gesicht, als hätte man ihn bei einer Bemerkung ertappt, die er nicht hätte machen sollen. »Es ist noch zu früh, um etwas darüber zu sagen.«
»Hat es andere Fälle gegeben, von denen die Öffentlichkeit nichts weiß?«
»Was ist ein Ferienmörder?«, fragte Tommy.
Als Miss Navarre den Detective jetzt ansah, schien sie wirklich böse zu sein. Detective Mendez wandte seine Aufmerksamkeit wieder Tommy zu: »Kannst du mir beschreiben, was du gesehen hast? Irgendetwas Ungewöhnliches, das dir im Park aufgefallen ist?«
»Na ja, die tote Frau«, sagte Tommy. Was sonst?
»Noch irgendwas?«
Tommy zuckte erneut die Achseln, dann zog er an den Ärmeln seines gestreiften Rugby-Shirts und rieb sich den Arm. »Die tote Frau. Und dann war da noch ein Hund. Er hat auf sie aufgepasst. Er war schwarz und
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