Tony Mendez 01 - Schwärzer als der Tod
Tanz zum hundertsten Mal aufführten. Eine Knochensäge fing an zu kreischen. Stahlinstrumente klapperten auf Stahltabletts. Einer der Männer in blauen Kitteln trat mit einer riesigen Baumschere mit roten Griffen an den Tisch, um die Rippen durchzuschneiden.
Mikado begann mit der äußeren Beschau der Leiche.
Lisa Warwick war eine schöne Frau gewesen: dunkle Haare, hohe Wangenknochen, üppige Figur. Das letzte Kapitel ihres Lebens war allerdings gar nicht schön gewesen. Man hatte sie über einen unbekannten Zeitraum hinweg gefoltert. Sie war zehn Tage lang vermisst gewesen. Vince hatte noch nie von einem Serienmörder gehört, der seinen Opfern die Zeit versüßt hätte, bevor er sie ermordete. Dieses hier war keine Ausnahme.
Der Torso der Frau sah aus wie eine makabre Malerpalette
in allen Schattierungen von Lila, Blau, Grün und Gelb - schwere Blutergüsse, besonders im Brust- und Unterbauchbereich. Nach den verschiedenen Verfärbungen zu urteilen, war sie über mehrere Tage hinweg geschlagen worden.
Ihr Peiniger hatte ein Messer mit einer schmalen Klinge benutzt, um ihr tiefe Schnitte am ganzen Körper beizubringen, angefangen bei den Fußsohlen, über die Finger bis hin zu den Brüsten. Der Zeigefinger der linken Hand fehlte. Ihre Brustwarzen waren abgeschnitten worden.
Vermutlich hatte der Mörder diese Körperteile behalten, um seine Tat immer wieder aufs Neue durchleben zu können. Vielleicht hatte er sie sogar in irgendeiner Form in seinen Alltag integriert. Der berüchtigte Serienmörder Ed Gein, »der Schlachter von Plainfield«, der in den fünfziger Jahren sein Unwesen im ländlichen Wisconsin getrieben hatte, hatte aus der Haut seiner Opfer unter anderem Lampenschirme gefertigt. Genauso konnte der Mörder von Lisa Warwick sich die Körperteile aber auch rituell einverleibt haben, um sie ganz für sich zu haben.
Jedenfalls machten die Verletzungen den Eindruck, als sei der Täter sehr systematisch vorgegangen. Nichts an den Messerwunden wies darauf hin, dass sie zögernd beigebracht worden waren, und die Schnitte schienen exakt platziert zu sein, auch wenn das Muster eher willkürlich wirkte.
Psychisch gestörte Mörder versahen ihre Opfer oft mit kreuzförmigen Schnitten, die offenkundig eine religiöse Bedeutung für sie hatten. Auch Initialen waren nichts Ungewöhnliches. Vince hatte einmal einen Fall in Philadelphia gehabt, bei dem eine Nonne im Altarraum einer Kirche brutal vergewaltigt und ermordet worden war, und in ihre Stirn war mit einem Brieföffner das Wort »SÜNDE« eingeritzt gewesen.
Bei diesem Opfer hier fügten sich die Schnitte zu keinem
Wort oder Bild, auch wenn einige von ihnen vertikal, andere horizontal verliefen und er das Gefühl hatte, das Muster bedeutete für den Mörder etwas Bestimmtes.
Der Gerichtsmediziner versuchte, die Augenlider des Opfers hochzuschieben.
»Sie sind zugeklebt«, sagte Mendez. »Der Mund auch.«
»Sieht so aus, als hätte ein Mal nicht gereicht«, sagte Vince und trat näher an den Tisch heran. »Sehen Sie diese Risse hier, und die Hautfetzen? Ich vermute, er hat ihr den Mund zugeklebt, und irgendwann während der Folter hat sie die Lippen auseinandergerissen, um zu schreien.«
»Mein Gott«, murmelte Mendez.
Vince zog unter dem Kittel eine zusammenklappbare Polaroidkamera aus seiner Jackentasche und machte einige Fotos von den Lippen und den Schnitten am Körper.
»Könnten Sie vielleicht von Augen und Mund ein paar Proben von dem Kleber für das FBI-Labor nehmen?«, fragte er Mikado, dann wandte er sich an Dixon. »Wenn sich die Art des Klebstoffs bestimmen lässt, und es ist etwas Ungewöhnliches, könnte uns das weiterbringen.«
Mikado nahm auch einige Fingernägelstücke und schob sie in einen Umschlag, der an das Labor des County ging. Vielleicht hatte das Opfer seinen Angreifer ja gekratzt, dann könnten sich darunter Hautreste befinden oder Blut, mit dem sich die Blutgruppe bestimmen ließe.
»Haben Sie irgendwelche Materialspuren entdecken können?«, fragte Vince.
Mikado warf ihm einen vielsagenden Blick zu. »Die Leiche war sauber, als sie hier eintraf.«
Vince sah zu Dixon.
»Das Bestattungsinstitut dachte, sie vollbrächten eine gute Tat, wenn sie sie waschen«, sagte Dixon, der genau wusste, dass ihnen damit womöglich wichtige Beweise verlorengegangen
waren. Sämtliche Fasern, Haare oder Körperflüssigkeiten, die an dem Körper gehaftet haben könnten, waren längst in der Kanalisation verschwunden.
»Es hat keinen
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