Top Secret - Der Ausbruch
und Lauren fast bis zur Schulter reichte. Als sie die Frostschicht auf der Pappe abkratzten, erkannten sie ein Yamaha-Logo und die Umrisszeichnung eines Schneemobils.
»Cool«, fand Bethany. »Ich glaube kaum, dass meine Beine noch so einen Tagesmarsch durch den Schnee aushalten würden.«
»Bist du mit so etwas schon einmal gefahren?«, fragte Lauren.
»Nee.« Bethany schüttelte aufgeregt den Kopf. »Kann aber auch nicht viel anders funktionieren als die Quads, mit denen wir letzten Sommer in der Jugendherberge herumgefahren sind … Lass uns mal die Instruktionen anschauen, damit wir wissen, was wir morgen machen sollen.«
»Wir messen lieber zuerst unsere Temperatur und funken das Basislager an«, entgegnete Lauren.
Ein Funkgerät war bereits an die Antenne auf dem Dach angeschlossen. Da die Batterie kalt war, dauerte es ein paar Sekunden, bis die orangene Frequenzanzeige auf der Schalttafel aufleuchtete. Inzwischen maßen die Mädchen ihre Körpertemperatur mit einem kleinen Plastikstreifen, den man in die Achselhöhle schob.
Die Anzeige zeigte bei beiden zwischen fünfund sechsunddreißig Grad Körpertemperatur an. Nach mehreren Stunden in extremer Kälte war eine Temperatur etwas unter dem Normalwert durchaus in Ordnung. Eine weitere Stunde hätte genügt und beide hätten die ersten Anzeichen einer Unterkühlung gezeigt.
Lauren griff zum Mikrofon und ging auf Empfang. »Einheit drei ruft Trainer Large. Over.«
»Hier Trainer Large. Seid gegrüßt, meine beiden kleinen Süßen!«
Es war schön, nach vierundzwanzig Stunden wieder eine andere menschliche Stimme zu hören, auch wenn es nur die von Mr Large war, dem Trainingsleiter von CHERUB. Large war ein ekliger Typ. Für ihn war es nicht nur ein Job, Kinder durch das harte Training zu schicken, er hatte tatsächlich Spaß daran, sie leiden zu sehen.
»Melde hiermit, dass mit mir und Einheit vier alles in Ordnung ist«, sagte Lauren. »Over.«
»Warum bist du nicht auf der codierten Frequenz? Over«, fragte Large ärgerlich.
Lauren stellte fest, dass der Trainer recht hatte, und schaltete schnell die Verschlüsselungsvorrichtung ein.
»Äh, tut mir leid … Over.«
»Das wird es morgen früh, wenn ich dich in die Finger kriege«, schnauzte Large sie an. »Zehn Minuspunkte für Haus Hufflepuff. Over und aus.«
»Over und aus«, antwortete Lauren bitter. Sie legte das Mikrofon weg und kickte gegen die Metallwand des Containers. »Mann, wie ich den Kerl hasse!«
Bethany lachte leise. »Nicht so sehr wie er dich dafür, dass du ihn mit einem Spaten kopfüber in ein Matschloch befördert hast.«
»Auch wieder wahr«, erwiderte Lauren und erlaubte sich ein kleines Lächeln in Gedanken an das Ereignis, das ihren ersten Versuch, die Grundausbildung zu absolvieren, so abrupt beendet hatte. »Wir sollten uns langsam an die Arbeit machen. Du übersetzt die Instruktionen, und ich geh raus und hole etwas Schnee, den wir schmelzen können.«
Lauren fand einen großen Eimer und zog die Taschenlampe aus dem Schlitten. Damit nicht allzu viel Wärme entwich, öffnete sie die Containertür nur so weit, dass sie mit dem Eimer hindurchschlüpfen konnte. Die Sonne war bereits untergegangen. Im schmalen Lichtstreifen, der aus dem Container
fiel, konnte Lauren gerade noch die große weiße Gestalt im Schnee erkennen. Halb davon überzeugt, dass sie übermüdet war und sich Dinge einbildete, schaltete sie die Taschenlampe an.
Was sie sah, ließ keinen Zweifel zu. Kreischend flüchtete sie in den Container zurück und schloss schleunigst die Tür.
»Was ist denn los?« Bethany fuhr von ihren Instruktionen hoch.
»Ein Eisbär!«, japste Lauren. »Direkt vor unserer Tür im Schnee. Gott sei Dank scheint er gerade zu schlafen, noch ein paar Schritte weiter und ich wäre draufgetreten!«
»Das kann doch gar nicht sein«, zweifelte Bethany.
Lauren wedelte mit der Taschenlampe vor dem Gesicht ihrer Trainingspartnerin herum. »Hier, nimm, streck die Nase raus und sieh selbst.«
Nur ein kurzer Blick genügte und Bethany war überzeugt. Knapp fünf Meter vor dem Eingang des Containers lag ein großer Pelzhaufen, aus dessen Nasenlöchern warmer Atemdampf aufstieg.
Nachdem sich Lauren von ihrer Beinahe-Begegnung mit dem Tod erholt hatte, überdachten die Mädchen ihre Lage und kamen zu dem Schluss, dass ihre Situation nicht hoffnungslos war.
Für das benötigte Trinkwasser würden sie sich aus der Metalltür lehnen und den Schnee in ihrer Reichweite
einsammeln. Dann
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