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Topas

Topas

Titel: Topas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon Uris
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    Und dann - der
große Augenblick. Mit tönender Beredsamkeit
angekündigt, schritt er zum Podium, und die jubelnde Menge
erhob sich wie ein Mann. Der große Pierre La Croix starrte
auf sie hinab - die Ovationen wollten kein Ende nehmen, bis seine
ehrfurchtgebietende Gestalt die Menge schließlich zum
Schweigen brachte.
    Andre Devereaux
beobachtete La Croix' Vorstellung mit einer Mischung aus
Bewunderung und Furcht, denn in seinem Herzen hatte sich bereits
eine tiefgreifende Ernüchterung vollzogen. Ja, er wußte,
daß Pierre La Croix heute Frankreich war und daß die
Aussicht auf Selbstbestimmung und Rückkehr zu nationaler
Größe ohne ihn gering sein würde. Aber letzten
Endes war Frankreich immer noch Frankreich - und wie es mit
Frankreich einmal enden würde, eben das beunruhigte ihn. Mit
allen Fasern lebte Pierre La Croix für seinen
»Ruhm«.
    »Söhne und
Töchter Frankreichs«, begann er, »wir sind hier
versammelt, um der Welt den Auftrag des Freien Frankreich und den
Auftrag Pierre La Croix' zu verkünden. La Croix«, rief
er, »hat es um der nationalen Ehre willen auf sich genommen,
die Autorität Frankreichs zu wahren. Er hat das besiegte
Vaterland verlassen und sich aus dem Morast der Niederlage zum
Gipfel erhoben. La Croix wird ihn nicht eher wieder verlassen, bis
unser geliebtes Frankreich frei ist!«
    Sie waren gebannt von
der einzigartigen Aura seiner Führerschaft. La Croix hatte sie
gepackt wie ein Massenhypnotiseur. Nur einzelne gab es, die wie
Andre Devereaux unter diesem Ton unverhüllter Demagogie
zusammenzuckten. Was da aus Pierre La Croix' Kehle hervorbrach,
waren die Worte eines künftigen Diktators.
    »Frankreich ist
gedemütigt… entwürdigt… hintergangen
… nicht anerkannt worden … ist von denen, die
behaupten, unsere Verbündeten zu sein, betrogen worden. Aber!
Solange Pierre La Croix lebt, solange Pierre La Croix die Last des
gefallenen Frankreich trägt… werden wir nicht
untergehen. Das ist mein Auftrag.«
    Draußen auf den
Straßen und - über die Geheimsender - in ganz Frankreich
hörten Millionen seine Worte. Im Namen der nationalen
Befreiung schienen sie alle bereit, sich diesem einen furchtlosen
Mann auszuliefern.
    »Wer ist La
Croix? Er ist der Mann, der im Namen Frankreichs unermüdlich
kämpft. Er hat die Franzosen außerhalb des besiegten
Vaterlands geeint. Lassen Sie sich das gesagt sein. Keine Macht der
Welt wird Frankreichs Schicksal hinter Frankreichs Rücken
aushandeln. Keine Macht der Welt wird über Frankreichs Zukunft
Beschlüsse fassen ohne Frankreichs Zustimmung! Frankreich wird
Herr über sein Schicksal bleiben!«
    Wieder sprangen die
Leute von den Sitzen.
    »Es lebe
Frankreich!«
    »Es lebe Pierre
La Croix!«
    Er ging über die
Wogen der Begeisterung hinweg, als sei die Huldigung etwas Normales
und Selbstverständliches. Ruhig nippte er an seinem Wasserglas
und fuhr fort:
    »Unserem
mächtigsten Verbündeten sage ich, daß ich seinen
Ehrgeiz, die Welt nach dem Krieg zu beherrschen, beklage. Ich
beklage seine schlechten Manieren, seine Unverschämtheit und
das gierige Verlangen, den alten Kulturnationen Europas seinen
Willen aufzuzwingen. Noch bevor dieser Krieg zu Ende ist, wird das
Blut von Franzosen, die in vorderster Reihe kämpfen, die
Hoheitsrechte Frankreichs wiederhergestellt
haben.«
    Seine Stimme fiel zu
einem heiseren Flüstern abIch weine um die Männer, die für
Frankreich fallen. Doch zugleich schwillt mein Herz vor Stolz. Und
nimmer werde ich schweigen, wenn gegen mein besiegtes Vaterland
Ränke geschmiedet werden.«
    Tränen, Schreie,
Schluchzen, Weinen!
    La Croix streckte die
Hände aus und gebot Ruhe - wie Christus, der das Meer
besänftigt.
    »Ich öffne
meine Arme für Admiral de St. Amertin! Trotz der Sünde
von Vichy verzeihe ich ihm! Aber es gilt nur ein Frankreich! Das
Freie Frankreich. Kommen Sie zu uns! Auf nach Frankreich!«
schrie er in die entfesselte Menge. »Wir werden es befreien!
Wir werden die Verräter bestrafen. Wir werden den großen
unanfechtbaren Marsch in unser Schicksal aufs neue
antreten.«
    »La
Croix!«
    »La
Croix!«
    »La
Croix!«
    Andre Devereaux war
wie betäubt, und ein Schauer des Entsetzens lief ihm über
den Rücken.

 
    77
    Nach seiner
vernichtenden Ansprache in der Albert Hall zog sich Pierre La Croix
mit seinem Stab in sein Londoner Hauptquartier im Carlton Garden
zurück. Die Anglo-Amerikaner sollten erst einmal verdauen, was
er gesagt hatte.
    Zwei Tage später
bat der sowjetische Botschafter in

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