Topas
»besetzen« trachte. Er bat sofort um eine
Unterredung mit dem General und raste in die Villa Capucines.
»Herr
General«, sagte Andre, »wir haben den Beweis - und zwar
geht das aus amerikanischen Befehlen hervor -, daß die
Vereinigten Staaten in Frankreich eine Militärregierung
errichten wollen, ähnlich wie sie es im besiegten Deutschland
tun werden.«
75
»Fühlst du
das Baby?« fragte Nicole und drückte Andres Hand auf
ihren Bauch. »Heute bewegt es sich schon ganz
stürmisch.«
Andre küßte
sie auf die Wange und liebkoste sie, während sie auf den
kleinen Balkon hinaustraten, um den Sonnenuntergang zu beobachten.
Nicole, die an Umfang schon beträchtlich zugenommen hatte,
fing jetzt an, etwas schwerfälliger zu werden. Andre verfolgte
hingerissen das Wunder dieser Schwangerschaft und hoffte, sie
würden ein Kind nach dem anderen bekommen.
Plötzlich wurde
er nachdenklich.
»Ich habe einen
schönen Lammbraten, das ganze vordere Rippenstück, und
ich bereite ihn dir so zu, wie du ihn gern
ißt.«
Andre hörte nicht
zu.
»Es ist geradezu
ein Fest, wenn du mal zum Abendessen kommst.«
»Der General war
heute außer sich. So bitterböse habe ich ihn noch nie
gesehen.«
Nicole erwiderte
zunächst nichts, war aber offensichtlich verärgert.
»Lieber, dies ist seit langem unser erster Abend, an dem wir
den Sonnenuntergang anschauen. Wir wollen heute nicht über den
General und das Freie Frankreich, den Krieg oder sonst etwas
sprechen, sondern nur von uns. Ich war gestern beim Arzt. Er hat
gesagt, wir könnten ruhig noch miteinander
schlafen.«
»Du kannst dir
nicht vorstellen, wie ernst die Lage geworden ist. Wenn die
Amerikaner ihren Plan verwirklichen und uns wie besiegte Feinde
behandeln …«
»La Croix, La
Croix!« fauchte sie. »Morgens, mittags, abends La
Croix!«
»Nicole, ohne
den General sinkt Frankreich, nach dem Krieg zu einem
Marionettenstaat herab. Die Invasion des Kontinents steht
unmittelbar bevor. Wir haben nur noch wenige
Monate…«
»Herrgott noch
mal, Andre! Liebster, ich habe soviel Geduld gehabt, habe mich
bemüht, dich zu verstehen. Aber wir sind jetzt sieben Monate
verheiratet. Ist dir klar, in wieviel Nächten du mehr als
sechs Stunden geschlafen hast? Meistens bist du so erschöpft,
daß ich dich ausziehen muß.«
»Nicole, wir
haben einander versprochen, daß wir uns darüber nicht
streiten wollen.«
Sie wandte sich ab und
ging langsam in den kleinen Raum zurück, in dem ihr Bett stand und der
zugleich Küche und Wohnraum war. Sie stand mit dem Rücken
zu Andre und starrte verzweifelt auf eine Petit-point-Stickerei an
der Wand, die sie in einem Basar gekauft hatte. »Ich komme
mir manchmal vor wie eine Fremde. Und in den endlosen Stunden, in
denen ich allein bin - also die meiste Zeit -, denke ich, du bist
nicht froh darüber, daß ich aus Spanien weggerannt und
zu dir gekommen bin.«
»Nicole, du
weißt doch, wie sehr ich dich liebe. Wie kannst du so etwas
sagen?«
»Nie hast du
Zeit für mich.«
»Es ist
Krieg.«
»Krieg! Ich will
das Wort nicht mehr hören.«
»Nicole …
Nicole… ich habe die Deutschen nicht gebeten, in Frankreich
einzufallen.« Er trat auf sie zu, und was er nun sagen
mußte, fiel ihm sehr schwer. »Ich bin heute nur
früher nach Hause gekommen, um zu packen. Ich fliege morgen
mit dem General nach London.«
Nicole drehte sich um
und sah ihn mit Tränen in den Augen an. »Du willst mich
jetzt allein lassen?« fragte sie.
»Nicht ich gebe
General La Croix Befehle, sondern er gibt sie
mir.«
»Du willst mich
allein lassen!«
»Es wird ja
nicht für lange sein, mein Schatz. Wir haben unzählige
Freunde in Algier, der Arzt und das Krankenhaus sind
hervorragend.«
Nicole nahm einen
Staubwedel und machte sich nervös im Zimmer zu schaffen,
wischte über Bilderrahmen und räumte auf, obwohl alles
schon mustergültig aufgeräumt war. Andre stand verlegen
dabei und schwieg.
»Du willst weg
von mir«, sagte sie. - »Bestimmt
nicht.«
»Dann tu etwas
mit deinem abscheulichen Beruf. Du sagst, wir haben Freunde. Bitte
sehr, dann nutz sie doch aus. Sorg dafür, daß du
irgendwohin kommst, wo wir ein paar Augenblicke für uns haben
können. Das ist in Algier kein Verbrechen. Fast alle hassen
Pierre La Croix, weil er sie gegen ihren Willen in einen Krieg
hineintreibt.«
»Du wirst
lachen«, sagte Andre gleichmütig und resigniert,
»ich habe mich schon mal um eine Versetzung
beworben.«
Nicole ließ
ihren Staubwedel sinken. »Das wußte
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