Topas
einen
Gruß und zog sich in sein Reich zurück; er
schlüpfte in seine Hausjacke, nahm sich einen Bourbon, setzte
sich in seinen Ledersessel und ließ seine Aktentasche
aufschnappen. Jetzt begann die mikroskopische Suche. Die harte,
einem den Magen umdrehende Arbeit, die von einem Geheimdienstler
verlangt wird, dessen Arbeitstag eigentlich nie endet und eine
unglaubliche Kraft verlangt. In den Abendstunden, wenn die
Büros schon lange geschlossen waren und andere Männer
sich Erholung gönnten, wandte sich Andre dem zweiten Teil
seiner täglichen Arbeit zu. Er mußte sich durch
Ausschnitte aus rund fünfzig Zeitschriften und Zeitungen aus
zehn verschiedenen Ländern durcharbeiten. Es gab Berge von
spät eingegangenen Memoranden, Kommuniques und Briefen, die
noch daraufhin durchgesehen werden mußten, ob irgendwelche
Maßnahmen erforderlich waren. Er stellte den Papierkorb neben
seinen Sessel, streichelte Picasso und begann mit unglaublicher
Geschwindigkeit die Ausschnitte zu lesen. Die meisten landeten im
Korb. Einige wurden angestrichen und aufbewahrt.
Wonach suchte er?
Vergabe eines Regierungsauftrags, Aufruhr in Afrika,
Schiffsbewegungen, Truppenverschiebungen, Veröffentlichung
einer technischen Studie. Irgendwo und nirgendwo konnte sich der
Hinweis finden, der ein leeres Feld in dem großen, sich
dauernd verändernden Rätsel ausfüllte. Die Tür
zu Nicoles Schlafzimmer flog auf. Robespierre wurde hereingejagt.
»Nimm ihn zu dir, Andre! Er wird mir lästig.« Das
Tier flitzte durchs Zimmer und sprang auf Andres Schoß. Er
schob den Hund hinunter wie eine lästige Fliege. Nach der
zweiten und dritten Abfuhr legte sich Robespierre niedergeschlagen
auf den Fußboden neben den immer
gelassenen Picasso. Picasso hob sein trauriges Gesicht, schnupperte
das Parfüm des Pudels und rückte verächtlich
ab.
Mit einem Seitenblick
sah Andre Nicole an ihrem Toilettentisch, wie sie im Spiegel
sorgenvoll ein Fältchen betrachtete, das gestern noch nicht
dagewesen war, und wie sie geschickt die Schönheit aus
Flaschen und Dosen auftrug.
Michele kam herein im
Abendkleid, und kramte in den Kosmetikutensilien ihrer Mutter. Sie
schwatzten miteinander, während die Zeit zum Aufbruch
nahte.
Eine Neuauflage,
dachte Andre. Michele war ein Ebenbild ihrer Mutter vor zwanzig
Jahren. Er trank seinen Bourbon und sah ihnen zu, wie sie sich
gegenseitig mit den Frisuren halfen.
Dieser Idiot, dieser
Trottel, dieser Blödmann Tucker Brown IV. würde bald die
Treppe heraufgepoltert kommen, um seine Verlobte abzuholen. Was
Tucker genießbar machte, war das
Hundertmillionenvermögen der Browns. Schiffahrt,
Yankee-Handelsflotte oder so etwas. Tucker Brown IV., Segler mit
Igelfrisur, Princeton, auswärtiger Dienst. Wenn er zu meinen
Leuten gehörte, dachte Andre, würde ich ihn nicht allein
seinen Hosenschlitz zumachen lassen.
Aber - Michele liebt
ihn. Oder besser gesagt, sie findet ihn gut genug zum Heiraten.
Wenn Tucker Brown IV. sich fleißig einsetzt und die Familie
genug Geld für politische Feldzüge spendiert, kann er es
vielleicht in zehn Jahren zum Botschafter in irgendeinem
Inselkönigreich bringen.
Und meine Michele. Das
ist ein Fang! Französin! Untadeliger Geschmack. Erstklassige
Gastgeberin, mehrsprachig. Schick! Wie das Mädchen sich
anzieht! Vielleicht passen sie doch gar nicht so schlecht zusammen.
Es soll mich um Gottes willen keiner für einen Snob halten,
beruhigte Andre sein Gewissen. Nur manchmal wünschte ich,
Michele fände einen Freund, mit dem ich mich unterhalten
könnte. Plötzlich kam ihm der schreckliche Gedanke,
Michele Devereaux könnte sich in einen armen Intellektuellen
verlieben. Vielleicht bin ich doch ein Snob. Einige Jahre mit
Tucker, ein Kind, Scheidung und eine gute Abfindung. Herrgott, was
denke ich da! Na ja, schließlich wünscht ein Mann seiner
Tochter nur das Beste. Was für ein bezauberndes kleines
Ding!
»Andre?«
»Ja?«
»Mach dich
fertig, Liebster!«
Er ging zum Safe,
packte den Inhalt seiner Aktentasche hinein und ging dann ins
Badezimmer. Ein schnurloser Elektrorasierer, eine Neuheit, surrte
über sein Gesiebt. Verdammt klug, diese Amerikaner, dachte er.
Wie in aller Welt bringen sie es fertig, solche Trottel wie Tucker
Brown IV. in die Welt zu setzen? Während er sich rasierte,
dachte et über seine eigene unangenehme Lage nach. Seine
Beziehungen zum Botschafter Rene d'Arcy wurden immer frostiger.
D'Arcy zählte zu den Gefolgsleuten des Präsidenten, des
Generals Pierre La Croix. Einst
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