Topas
Sie liquidiert. Sie haben alles nur sich selbst
zuzuschreiben. Erst haben Sie nach Devereaux verlangt, dann haben
Sie bequemerweise vergessen, warum Sie mit ihm sprechen wollten. Er
kann Paris die Mitteilung eine Woche, vielleicht sogar einen Monat
lang vorenthalten, aber früher oder später muß der
französische SDECE benachrichtigt werden. In dem Augenblick,
da das nach Moskau durchsickert, sinkt Ihr Wert für uns fast
auf Null.«
»Ich
verstehe«, sagte Kuznetow heiser.
»Sie haben genug
mit Liquidierungen zu tun gehabt, um genau zu wissen, mit was
für einer widerlichen Bande von Gangstern Sie im KGB
zusammengehockt haben. Sie sind diesen Schlächtern kein
Fünkchen Rücksicht schuldig.« Die Verandatür
knallte hinter Nordstrom zu.
Kuznetow war am Ende
seiner Frist angelangt. Aber so oder so, wie lange hätten die
Amerikaner wohl noch mit sich spielen lassen? Und wieviel
länger hätte er das Elend von Olga und Tamara noch
ertragen können? Er stand vor den Modellen, und plötzlich
fegte er sie vom Tisch, so daß sie polternd zu Boden
fielen.
Olga kam mit
kalkweißem Gesicht hereingeschlichen. »Wir haben alles
gehört«, sage sie. »Tamara hat mir übersetzt,
was Nordstrom dir anbot.«
»Ich will heute
abend nicht darüber sprechen.«
Sie folgte ihm durch
den Raum bis an die Wand, vor der er mit abgewandtem Gesicht
stehenblieb. »Du hast uns geschworen, wenn uns die Flucht
gelänge, würden wir ein anständiges Leben
führen können. Wir haben nie anständig gelebt,
Boris, bis auf die wenigen Augenblicke, die wir im Westen heimlich
in einem Konzert, einem Museum oder einem Restaurant verbringen
konnten. Sieh dir deine Tochter an! Sie ist ein junges
Mädchen, und sie will leben! Was für ein Leben willst du
ihr nach dem morgigen Tag bieten? Ein Leben voller Angst im
Versteck! Kannst du den Unterschied zwischen diesen Leuten und
unseren nicht erkennen? Unsere wollten dich
umbringen!«
»Hör auf,
Olga!«
»Boris«,
sagte sie und lehnte sich zum erstenmal in ihrem ganzen Leben gegen
ihn auf, »du mußt den Amerikanern alles
sagen!«
»Nein - nie -
nie!«
Tamara stand mit
Tränen in den Augen in der Tür. »Papa, ich bin als
gute Kommunistin erzogen worden, und ich liebe Rußland. Ich
liebte Rußland, bis ich aufgefordert wurde, dir
nachzuspionieren und über dich zu berichten. Aber ich liebe
dich und Mama mehr. Seit ich erfahren habe, daß sie dich
umbringen wollten, hasse ich sie. O Papa, weißt du, wie es
draußen ist, hier in diesem Land? Ich bin fast gestorben vor
Sehnsucht danach.« Sie kniete neben dem am Boden liegenden
Modell der Frau, die sie werden sollte. »Ich möchte gern
so sein wie diese hier.«
Tränen liefen
Boris über das Gesicht.
»Boris«,
drängte seine Frau, »du mußt den Amerikanern alles
sagen, Tamara und ich wollen unser Leben nicht als Flüchtlinge
verbringen.«
Er war in die Enge
getrieben. Er hatte keine Wahl. Das große Geheimnis wurde aus
ihm herausgepreßt. Das Geheimnis um Topas.
11
»Michele, mein
kleiner Liebling!«
Andre umarmte seine
Tochter. Sie küßten sich auf beide Wangen. Robespierre,
ein parfümierter silbergrauer Zwergpudel mit kostbarem
Halsband, sprang hoch und kläffte. Picasso, ein traurig
blickender englischer Jagdhund, stellte sich breitbeinig hin und
wedelte heftig mit dem Schwanz. Andre hielt Michele lächelnd
von sich, um sie anzusehen. Sie gingen durchs Haus, die Treppe
hinauf, Arm in Arm, und tauschten die üblichen Fragen und
Antworten aus. Im College war alles wunderbar. Das New Yorker
Theater taugte gar nicht viel, aber die Comedie Frangaise sollte ein Gastspiel
geben.
»Wirst du einige
Vorstellungen besuchen, Papa?«
»Ich möchte
gern, aber ich will es lieber nicht versprechen. Die
Arbeit…«
»Versprich es
mir! Und ich verspreche, daß ich nicht enttäuscht sein
will, wenn du es nicht schaffst.«
»Dann will ich
versprechen, es zu versuchen.«
Sie ging in ihr
Zimmer, um sich für den Empfang der
französischamerikanischen Ehrenlegion in der
französischen Botschaft zurechtzumachen.
Nicole war um viele
Jahre älter als ihre Tochter und hatte dementsprechend schon
zwei Stunden früher mit ihrer Arbeit begonnen. Nicoles
Spannung war spürbar, besonders für Robespierre, der ihre
Nervosität durch sein ständiges Männchenmachen
widerspiegelte. Nicole gab sich die größte Mühe,
zupfte sorgfältig ihre Brauen aus, zog die Linien mit der
Sicherheit eines Leonardo da Vinci und verdeckte die Fältchen
mit Creme.
Andre brummte
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