Topas
mit ihr zum Mittagessen getroffen oder
nicht?«
»Ja, zu einem
geheimen Stelldichein am Mitteltisch des größten
Speisesaals in Washington. Ich wollte sie um einen Gefallen
bitten.«
»Ja, ja,
ja… Soweit ich unterrichtet bin, ist Molly nicht kleinlich,
wenn es um einen Gefallen geht.«
»Schön,
meine Liebe. Du hast mich erwischt. Ich bin bis über
beide Ohren in
Molly Spearman verliebt und möchte mich scheiden lassen, damit
ich sie auf der Stelle heiraten kann.«
Nicole sprang vom Bett
auf, ergriff einen Aschenbecher und schleuderte ihn gegen die Wand.
Dann vergrub sie ihr Gesicht in den Händen und
weinte.
»Geh zu
Bett!« sagte er.
»Ich habe mich
heute abend ausführlich mit Dr. Kaplan unterhalten. Er sagte,
deine Gesundheit sei in Gefahr, und du dürftest dir auf keinen
Fall mehr zumuten.«
»Ist das ein
Grund, mir eine Szene zu machen? Außerdem ist der gute Doktor
wie alle guten Doktoren ein Bangemacher. Es gehört zu seinem
Beruf, einem Angst einzujagen und Ratschläge zu erteilen, die
kein Mensch befolgen kann.«
»Wie kannst du,
um Gottes willen, von mir verlangen, daß ich ruhig dasitze
und mitansehe, wie du dir den Tod holst? Andre, laß uns etwas
anderes machen. Sie erkennen ja nicht einmal an, was du hier tust.
Die Botschaft ist voll von Fremden.«
»Und wie
gedenkst du außerhalb dieser angenehmen Umgebung zu
leben?«
»Warum
hörst du nicht auf, mir die Schuld an etwas zuzuschieben, das
du nicht aufgeben kannst?«
»Du hast recht,
Nicole. Ich habe mich auf einen Kampf eingelassen, aus dem ich mich
nicht zurückziehen kann.«
»Es gibt
Männer, die den Dienst aufgegeben haben und jetzt wie
anständige Menschen leben. Wir haben viele Freunde - und viele
Möglichkeiten In Paris, in Washington, wenn du willst, New
York, irgendwo. Vielleicht sogar auf einer Insel im Karibischen
Meer.«
»Auf einer Insel
im Karibischen Meer«, sagte er. Andre legte sich aufs Bett
und klopfte an sein Knie, um ihr anzudeuten, sie solle zu ihm
kommen. Sie schmiegten sich aneinander. »Wäre es nicht
wunderbar, wenn wir uns außerhalb des Bettes ebensogut
vertrügen wie im Bett? Unser Unglück ist, daß die
Nacht immer zu Ende geht und daß dann der Alltag
kommt.«
»Solange wir
dies haben …«, sagte sie.
Seine Gedanken waren
schon wieder in dem Krankenzimmer des Bethesda-Hospitals und bei
dem geheimnisvollen Wort »Topas«. Er würde nie
aufgeben, denn er hatte sich der Sache ganz
verschrieben.
ZWEITER
TEIL
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DIE
RICO-PARRA-DOKUMENTE
15
Sommer 1962
Rico Parra,
prominenter Angehöriger des Castro-Regimes und Führer der
kubanischen Delegation bei den Vereinten Nationen, betrat in New
York einen Raum, der für eine Pressekonferenz hergerichtet
war. Er setzte sich hinter ein Schild mit seinem Namen und seiner
Rangbezeichnung und starrte ärgerlich in die Fernsehkameras
und in die Reportermenge. Seine schwarzen Augen waren voll
Haß, und sein schwarzer Bart schimmerte in dem grellen
Licht.
»Farbige
Mitglieder der kubanischen Delegation sind von den Angestellten des
Hotels Wharton schlecht behandelt und beleidigt
worden. Das ist typisch für das abscheuliche Verhalten der
Imperialisten. Die Regierung Kubas protestiert gegen diese
Ausschreitungen.«
Die Bleistifte flogen
schneller übers Papier, als der spanische Übersetzer sich
einschaltete.
Rico Parra schlug
wiederholt mit der Faust auf den Tisch. Er spie Gift und Galle und
verurteilte die Amerikaner mit allen Schlagworten, die das Arsenal
der Kommunisten enthielt. Nach zwanzig Minuten hatte er seinen
Dolmetscher abgehängt und war heiser von der
Tirade.
»Die Delegation
Kubas zieht daher zur West Side, wo wir willkommen und unter
unseresgleichen sind. Wir ziehen unverzüglich ins Hotel San
Martin.« Die bärtigen
Revolutionäre und ihr weiblicher Stab, etwa sechzig an der
Zahl, marschierten zu Fuß durch Manhattan in ein Gebiet, das
vorwiegend von Puertoricanern und anderen Lateinamerikanern bewohnt
wurde, wo sie den vierten, fünften und sechsten Stock des
alten Hotels belegten.
Während der
zwanziger Jahre, bevor die Rassenintegration in den großen
New Yorker Hotels akzeptiert wurde, hatte das
San
Martin einen gewissen Ruf als Quartier
für prominente linksgerichtete politische Flüchtlinge aus
den von Revolutionen erschütterten Ländern des
karibischen und südamerikanischen Raumes. Die
Zusammenkünfte in raucherfüllten Räumen nach
mißglückten Versuchen zum Sturz
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