Topchter der Köingin Tess 1
geschenkt hatte, und meine Lieblingskette mit blauen Steinen und Rubinen – aber Kavenlows Ring bekam sie auf keinen Fall. Verärgert stellte ich den Becher weg und griff nach dem Verschluss der Halskette. Doch die Alte schüttelte den Kopf, den Blick auf mein Diadem gerichtet. Ich zog die Augenbrauen hoch. Sie wollte mein Diadem?
Ich warf Kavenlow einen Blick zu, um eine Ahnung davon zu bekommen, was meine Eltern wohl zu diesem besonderen Handel sagen würden. Er starrte hilfreicherweise die Wand an und distanzierte sich offenbar jetzt schon von dem Aufruhr, den es geben würde, wenn sie feststellten, dass ich meine Krone schon wieder »verloren« hatte. Aber, qualmende Schohgruben, ich wollte dieses Messer.
Obwohl ich wusste, dass mich das später teuer zu stehen kommen würde, nahm ich mein Diadem ab und legte es auf den Tisch. Es war ja nur ein Stück gebogenes Metall und in meinen Augen völlig wertlos. Sie nickte, und ich griff begierig nach dem Messer, hocherfreut über diesen Handel. »Erzähl mir etwas darüber«, verlangte ich, denn ich wusste, dass die Geschichte dahinter wahrscheinlich wertvoller war als die Klinge selbst.
Rasch faltete sie den Stoff zusammen, verknotete ihn und hängte das improvisierte Bündel wieder an die Decke. Mein Diadem befand sich nun darin, und ich fühlte mich eigenartig nackt ohne den Metallreif. Sie seufzte tief, als sie sich schwerfällig wieder auf ihren Stuhl sinken ließ, der protestierend knarrte. »Es kommt aus dem Osten«, sagte sie, und der Rauch, den sie aufgewirbelt hatte, schien sie überhaupt nicht zu stören. »Es gehörte einst einem jungen Mann, der nach ewiger, unerschöpflicher Liebe suchte. Er wurde schließlich Sultan; das ist ein König der Wüste. Für den Ring, den ich ihm im Gegenzug gab, fand er sehr gute Verwendung. Das Messer eines Königs ist ein angemessenes Geschenk, meinst du nicht?«
Meine Finger kamen mir langsam vor, als ich die Klinge in den Händen hin und her drehte, und ich dachte daran, Kavenlow zu bitten, er möge die Tür öffnen. Aber das erschien mir zu mühsam. In das Messer waren große Tiere mit Nasen so lang wie ihre Beine und riesengroßen Ohren eingraviert. Verrückt, aber fantasievoll. Sie passten gut zu der Geschichte, die zu dem Messer gehörte. Ich blinzelte träge und versuchte, eine Entscheidung zu treffen. Aber ich konnte mich nicht mehr an meinen letzten Gedanken erinnern …
Ihre Hand schoss vor und packte mich. Ich schnappte nach Luft und zuckte zurück, doch sie ritzte mir einen Finger an der Klinge auf. Entsetzt sprang ich hoch und schwankte. Der Schemel fiel krachend um.
»Tess!«, rief Kavenlow. Der Wagen neigte sich, als er sich zwischen die Frau und mich schob. Der Fuchs schoss unter die Kommode. Der Tisch knallte gegen die Wand, als Kavenlow ihn beiseitefegte.
Mein Herz flatterte wie die Flügel des verzweifelten Vogels, der seinem Käfig zu entkommen versuchte. Reiner Instinkt ließ mich in eine Ecke zurückweichen. Mein Gesicht wurde kalt, und meine Finger schlossen sich fester um das Messer, das ich noch immer in der Hand hielt. Der Rauch schien nun auch in meinem Kopf herumzuwirbeln und betäubte mich. Ich sollte etwas tun, konnte mich aber nicht daran erinnern, was.
»Zurück, Kavenlow!«, rief die Zigeunerin schrill und erhob sich. Ihr derber Akzent war wie weggeblasen. »Wenn mich ein einziger Pfeil trifft, ziehe ich Euch die Eingeweide durch die Nase heraus, das schwöre ich!«
Ich drückte mir den brennenden Finger an die Brust. Sie kennt ihn?, dachte ich und zwang den Gedanken durch meine Benommenheit. Sie kannte Kavenlow?
»Wie soll ich eine Schnittwunde an ihr erklären?«, rief Kavenlow aus. Mit rotem Gesicht stand er steif zwischen der Zigeunerin und mir, die Hände zu Fäusten geballt.
Die massige, schäbig gekleidete Frau sah ihn höhnisch an und ließ mit kurzen, dicken Fingern ihre vielen Ketten klimpern. »Das ist Euer Problem, nicht meines. Und Ihr habt einen Fehler gemacht. Sie zeigt keinerlei Selbstschutz-Reaktionen. Ihre Gedanken drehen sich nur um Männer und Dinge, die sie kaufen will.«
Kavenlow straffte zornig die Schultern. Der Rauch schien mir bis in die Knochen zu dringen. Ich konnte mich nicht rühren. Ich hörte, wie mein Herz immer langsamer schlug, und zwang mich, die Augen offen zu halten. »Erkennt sie einfach an, damit wir endlich gehen können«, sagte er mit fester Stimme.
Mit jedem Atemzug wurde ich matter, und ich staunte darüber, dass ich noch stehen
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