Topchter der Köingin Tess 1
strähnigen grauen Haars waren alles, was sich an ihr bewegte. Ich schob sacht die Tür zu und schloss mich damit im nach Asche riechenden Halbdunkel ein.
»Setz dich, Mädchen«, sagte die rundliche Frau mit hässlich klingender, krächzender Stimme.
Unwillkürlich hoben sich meine Brauen, doch in der Atmosphäre dieses Augenblicks nahm ich die Beleidigung hin. Außerdem fand ich, dass sie sich wegen ihrer magischen Gabe wohl mehr Freiheiten herausnehmen durfte als andere. Auf dem kleinen Tisch zwischen uns befanden sich eine brennende Kerze, eine leere Schüssel, ein zerklüfteter Gesteinsbrocken und eine Feder. Ich ließ mich auf den Klappschemel ihr gegenüber sinken. »Du willst dein Schicksal erfahren?«, fragte sie, und ihr harscher Akzent zog meinen Blick zum ersten Mal auf ihr Gesicht.
Ich nickte und betrachtete ihre faltige, ledrige Haut. »Ja. Ich werde bald –«
»Sei still«, brummte sie. Ich war schockiert. Der Fuchs glitt von ihrem Schoß, und mein Zorn verrauchte, als ich zusah, wie er an meinem Fuß schnupperte. Ich fragte mich, wie sich das Fell eines lebendigen Fuchses anfühlen mochte, hatte aber zu viel Respekt vor seinen Zähnen, um die Hand nach ihm auszustrecken. Die alte Frau stieß ein leises Murren aus, als er sich unter dem Tisch zwischen uns zusammenrollte. Sein buschiger Schwanz streifte meine staubigen Stiefel, und ich hielt ganz still, um den Fuchs nicht zu verscheuchen.
Metallene Glücksbringer klimperten, als die Madam einen schlaffen Arm ausstreckte und ein Holzstäbchen anzündete, das zwischen zwei Latten der Wagenwand geklemmt war. Sie blies die Flamme aus, doch das Stäbchen schwelte weiter, und der Geruch von Wermut verbreitete sich schwer in der Luft. »Zeig mir deine Hände«, sagte sie.
Ihr Ton gefiel mir nicht, aber ich legte dennoch beide Hände auf das kniehohe Tischchen zwischen uns. Sie warf einen Blick auf meine Linke und murmelte verächtlich, dass Liebe ins Verderben führe. Dann ergriff sie meine Rechte und packte unangenehm fest zu. Ihre pergamentdünne Haut war kühl und trocken, unberührt von der Hitze, die von der Bucht heraufstieg. Sie stammte aus dem Wald, und es schien, als hätte sie dessen Essenz in ihrem Wagen eingefangen.
»Wie ist dein Name?«, fragte sie und schürzte stark die Lippen, als sie sich über meine Hand beugte und ihre Kerze näher heranrückte. Durch die Grimasse falteten sich ihre Runzeln in-und übereinander – eine Vision hässlicher Weisheit.
»Tess«, sagte ich und nannte ihr dann doch lieber meinen richtigen Namen, wobei ich dank des duftenden Rauchs gegen einen Niesreiz ankämpfen musste. »Prinzessin Contessa von Costenopolis.«
Ihre leuchtenden Knopfaugen begegneten meinem Blick. »Oho, eine Prinzessin sind wir«, höhnte sie und neigte sich zur Seite, um mit einem rauen Fingerknöchel den Vorhang ein Stück beiseitezuschieben. Ein Lichtstrahl fiel auf ihr altes Gesicht, als sie über die Straße schaute. Der Vorhang fiel wieder herab. »Du bist keine Prinzessin. Eine Prinzessin würde nicht mit einem einzigen müden Mann herumlaufen, der auf sie aufpasst; nein, eine Prinzessin würde von fünf junge Männern mit Peitschen und Schwertern beschützt. Sie wäre nicht zu Fuß unterwegs, sondern in einer feinen Kutsche. Und ihr Wächter würde nicht herumsitzen und Bier saufen, während sein Schützling sich in einem Wagen fangen lässt, vor den ein Pferd gespannt ist.«
Ich erstarrte. »Ich habe Kavenlow selbst befohlen, sich dort drüben hinzusetzen«, fuhr ich sie an, nun doch ziemlich zornig.
»Und er säuft kein Bier, er trinkt Wasser. Wenn dein Pferd auch nur einen Schritt tut, wird es sterben. Wenn du mich bedrohst, wirst du ebenfalls sterben. Ich bin Prinzessin Contessa«, sagte ich und merkte bestürzt, wie sie ihren Griff so verstärkte, dass ich mich ihr nicht entwinden konnte. »Ich bin allein unterwegs, weil ein großes Gefolge mich zur Zielscheibe machen würde.«
Sie beugte sich vor, und ihr Busen, der dabei hochgedrückt wurde, war schlaff und runzlig vor Alter. »Oooh«, höhnte sie. »Du bist also diese Prinzessin vom Roten Mond, was?«
Ich bemühte mich, mir meine Wut nicht anmerken zu lassen. Die Prophezeiung vom Roten Mond wurde in der feinen Gesellschaft nicht einmal erwähnt, denn sie verfolgte mich seit dem Monat meiner Geburt wie ein hungriger Köter.
»Ja«, murmelte sie und beäugte mich, als sei das ein großartiger Scherz. »Ein Kind der Küste, zur Herrschaft bestimmt und empfangen im
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