Torchwood 3: Langsamer Verfall (German Edition)
die Stadt Tausenden von verschiedenen Gefühlen ausgesetzt war. Emotionen, die von Menschen und Tieren ausgingen. Toshiko fühlte sich von einer geradezu animalischen Masse von Urtrieben und -ängsten überrollt. Für jemanden, für den Ordnung über allem anderen stand, war das furchterregend. Oder spürte sie nur die Angst eines anderen Menschen irgendwo in der Nähe?
Das Auto fuhr an einem weiteren anonymen Bürogebäude vorbei und sie spürte, wie ihr eine Welle aus Überdruss entgegenschlug. Warum tat sie das? Das alles hier war genauso aufregend, wie die Sandkörner in der Wüste zu zählen.
Sie war kurz davor, das Gerät aus dem Fenster zu werfen und sich auf dem Rücksitz zusammenzurollen, als Jack erneut in eine Straße abbog. Die Langeweile wurde durch Unruhe ersetzt. Sie sah nur Jacks Hinterkopf und war sicher, dass er im Rückspiegel nach ihr sah, während sie sich auf etwas anderes konzentrierte. Er hasste die Tatsache, dass sie in Sachen Technik schlauer war als er. Er behielt seine Position als Anführer nur, weil er alle zerstörte, die seinen Platz einnehmen könnten. Das hatte er mit Suzie so gemacht und das würde er auch mit ihr machen, wenn sie ihn nicht zuerst umbrachte.
Ihre Hand legte sich um den Griff der Automatikwaffe, die sie an der Hüfte trug. Ein Schuss und sie könnte die Kontrolle über Torchwood übernehmen.
Sie erhob die Pistole und zielte auf Jack.
Gwen sah zu Rhys hinüber. Sie standen am Rand der Cardiff Bay auf einem schmalen Strand voller grauer und schwarzer Kiesel und blickten über das Wasser. Möwen trieben hüpfend auf dem Wasser und hofften auf eine Brotkruste oder ein Stück von einem Hamburger-Brötchen. Sie wusste, dass sie eigentlich beim Team sein sollte, um zu helfen, Doktor Scotus dingfest zu machen. Aber sie musste sich vergewissern, dass es Rhys gut ging.
Wozu war es denn gut, die Welt zu retten, wenn man nicht einmal die Menschen retten konnte, die man liebte?
Man konnte fast nicht mehr erkennen, dass Rhys vor wenigen Tagen beinah die Wange herausgerissen worden war. Die Haut sah etwas blasser und weniger wettergegerbt aus als der Rest seines Gesichts. Aber es war bei ihm ja nicht so wie bei einem Typen, der sein ganzes Leben am Amazonas oder in der Wüste Gobi verbrachte, sodass sein Gesicht total verwittert war. Ein paar Tage Sonne und Wind und man würde den Unterschied von der einen zur anderen Seite nicht mehr erkennen.
„Erklär’s mir bitte noch mal, ich versteh’s nämlich immer noch nicht“, bat er. „Diese Tablette, sagst du, war
kontaminiert
?“
„Ich habe beim Gesundheitsministerium nachgefragt“, sagte sie ohne zu zögern. „Sie fürchten, dass diese Tabletten vielleicht mit etwas gepanscht worden sind. So ähnlich wie bei den pflanzlichen chinesischen Mitteln vor ein paar Jahren, als sie festgestellt haben, dass hohe Dosen zu Leberversagen führen können. Damals durften die Leute sie verkaufen, weil sie als Nahrungsmittelzusatz klassifiziert waren und nicht als Medikament. Das ist hier dasselbe.“
„Warum haben wir eigentlich ein Gesundheitsministerium, ein Verkehrsministerium, ein Verteidigungsministerium und ein Innenministerium? Was soll das Ganze eigentlich?“
„Rhys, bleib bei der Sache!“
„Ja, Entschuldigung.“ Er dachte einen Moment nach und sein Gesicht legte sich in Sorgenfalten. „Erst einmal muss ich sagen: Sie haben gewirkt! Ich habe eine Menge abgenommen, seit ich die erste Tablette eingeworfen habe.“
„Und du siehst toll aus“, bestätigte Gwen und meinte es vollkommen ehrlich. Rhys war, so lange sie ihn schon kannte, noch nie so schlank gewesen. Sein Bauch war flach, seine Arme und Beine muskulös und sein Arsch … der war einfach klasse. Gwen wünschte fast, dass sie so etwas auch so schnell haben könnte, doch sie war nicht bereit, den gleichen Preis dafür zu zahlen wie Lucy oder Marianne. Nein, sie musste weiter durch die dunklen Gassen und Krankenhausflure rennen.
„Und du glaubst, dass Lucy darum so furchtbar reagiert hat?“
„Diese psychotische Episode ist von irgendeinem komplexen biochemischen Zeug in dieser Pille ausgelöst worden. Es heißt, sie hätten Beschwerden aus ganz Wales erhalten.“
„Das kam noch nicht in den Nachrichten“, sagte er nachdenklich.
„
BBC Wales
macht gerade eine Undercover-Recherche. Sie wollen es wohl in einer großen Dokumentation bekannt geben.“
„Oh.“ Er schien von der Erwähnung der
BBC Wales
seltsam beeindruckt, als würde das der
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