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Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Tore der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Nicolai
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An einem Gestell in der Nähe der Feuerstelle hingen Zangen und Hufeisen in allen Formen und Größen. Einige Hämmer lagen aufgereiht auf dem Amboss. An durch den Raum gespannten Seilen waren Ringe aufgefädelt, das Material für Kettenhemden. Offenbar hatte der Schmied sein Werk nicht vollendet. Im Hintergrund lehnten Rohlinge von Schwertern, Piken und Lanzen. Es roch nach Eisen und brennender Kohle. Und über der Esse drehte sich eine riesige Diskokugel.
    Ravenna legte den Kopf in den Nacken und starrte eine unwirkliche Sekunde lang zu dem Ding empor. Die Kugel hing an einem Flaschenzug und drehte sich langsam. Tausende Spiegelplättchen warfen schillernde Lichtreflexe auf die Mauern.
    »Siehst du das?«, hauchte sie. »Das Ding da oben – das gehört nicht hierher. Beliar ist vor uns hier gewesen und hat die Kugel angebracht. Wir sollten besser von hier verschwinden.«
    Sie drehte sich um, um zu sehen, wie ihr Ritter die Warnung aufnahm. Als ihr Blick jedoch auf die Herdstelle fiel, entfuhr ihr ein lauter Schrei. Denn der Schmied hockte mitten in den durchsichtigen Flammen, die in der Esse züngelten.
    Zumindest sah es von ihrem Standpunkt aus so aus. Tatsächlich saß er auf einem Schemel jenseits der Feuerstelle, ein Mann aus Fleisch und Blut. Ein gestandener Handwerker um die dreißig, mit dichten braunen Locken, einem markanten Kinn und einem ebenso ausgeprägten Geschäftssinn, wie das Ledersäckchen an seinem Gürtel verriet.
    »Ihr habt mich gerufen. Was wollt ihr von mir?«, knurrte er. »Wieso stört ihr mich um diese Zeit?«
    Ravenna warf einen Blick auf die neongrünen Zeiger der Uhr. Es war Viertel vor acht.
    »Wir kommen mit einem Auftrag hierher«, erwiderte Lucian. »Jemand schickte uns und gab uns bis heute Abend Zeit. Ich habe da etwas bei mir, das du sicher wiedererkennst.«
    Er griff nach hinten und löste das Schwert vom Schultergurt. Vorsichtig schob er die schwarze Scheide auf den Rand der Feuerstelle. Der Schmied stand von seinem dreibeinigen Schemel auf und kam langsam hinter der Esse hervor.
    Sogar für einen fünfhundert Jahre alten Zeitreisenden wirkte er ziemlich heruntergekommen, fand Ravenna. Seine Kleidung bestand aus einer Lederschürze und einem Kittel, der seit einer Ewigkeit nicht mehr gewechselt oder gewaschen worden war. Der Gestank durchdrang sogar den Rauchgeruch. Seine Beine unter dem Kittel waren nackt. Um die Füße hatte sich der Schmied speckige Lumpen gewickelt. Er kaute unentwegt auf einem Strohhalm. Trotz seines verlotterten Aussehens blieb eine seltsame Aura erhalten. Das war keine Schattenseele – der Schmied besaß eine Gabe.
    »Ist das derselbe Schmied?«, wisperte Ravenna. »Ich meine derjenige, der damals die Klinge Durendal hergestellt hat?«
    Lucian nickte. Er lehnte sich gegen den Amboss und stützte den verwundeten, rechten Arm mit der freien Hand. »Durendal, die geweihten Schwerter meines Ordens und die Hexensiegel – sie alle stammen von diesem Ort. Der Schmied ist vielleicht etwas seltsam, aber man sollte ihn mit Respekt behandeln. Es heißt, er sei der einzige Mann, dem die Hexengöttin Morrigan erschienen ist.«
    »Ja, ja, blabla, Herr Ritter«, maulte der Schmied, während er die abgebrochene Klinge aus der Scheide zog. Die restlichen Stücke holte er heraus, indem er die Hülle umdrehte und kräftig schüttelte. »Mein Name ist Jodok, geboren an einem Sommertag des Jahres 741, ausgebildet in der Schmiedekunst von einem Lehrmeister, der mir rechts und links eins hinter die Löffel gab, wenn ich das Feuer ausgehen ließ. Von Morrigan anerkannt und dann im Strom vergessen, als diese Berge noch zu ihrem Reich gehörten. Und du bist?«
    Die letzte Frage richtete der Schmied an sie. »Ravenna«, stieß sie hervor. »Was soll das heißen: Morrigan hat dich im Strom vergessen? Soll das etwa bedeuten, du sitzt mitten in einem Zeittor?«
    Es war die einzig logische Erklärung. Auch das Tor im Turm der Schmiede stand dauerhaft offen, so wie sie es beim Portal von Carcassonne erlebt hatte. Allerdings schien Jodoks Tor noch intakt zu sein. Es war weder verflucht noch mit einem Bann belegt. Deshalb konnte der Schmied unbeschadet von einer Seite zur anderen wechseln. Womöglich qualmte auch im achten Jahrhundert ein Meiler draußen im Hof. Denn das war das Eigenartige an der Zeit, dachte Ravenna: Sie verging immer an derselben Stelle.
    »Es soll heißen, was es eben heißt«, murmelte der Schmied, während er die Bruchstücke der Waffe untersuchte. Zu ihrem

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