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Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Tore der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Nicolai
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Ritter«, giftete der Schmied. »Wenn du so knapp bei Kasse bist – warum gibst du dann nicht auf deine Sachen Acht? Aber wenn du unbedingt auf der Reparatur bestehst: Frag doch meine anderen Gäste, ob sie dir etwas leihen.«
    Alarmiert horchte Ravenna auf. »Andere Gäste? Was denn für Gäste? Wir haben draußen niemanden gesehen.«
    »Natürlich nicht! Wer würde denn bei diesem Wetter im Hof herumlungern? Sie sitzen alle in der Stube und warten auf das Rennen morgen. Eine seltsame Gesellschaft. Aber wenn man es recht bedenkt, sind sie auch nicht viel merkwürdiger als ihr beide. Jedenfalls schien mir einer dieser Herren recht vermögend.«
    »Verlangst du ernsthaft, dass ich betteln gehe?«, stieß Lucian hervor. Als Jodok schwieg und mit dem Fingernagel an den Spiralen auf dem Schwert herumkratzte, schüttelte er den Kopf.
    »Komm, Ravenna. Offenbar bleibt uns wirklich nichts anderes übrig«, murmelte er. »Viel schlimmer kann dieser Ritt kaum noch werden.«
    Mittlerweile regnete es wieder stärker. Der Wind schwoll zu einem richtigen Sturm an, der den Wasserfall zur Seite drückte und die Oberfläche des kleinen Sees aufwühlte. Das Unwetter hatte die meisten Wanderer und Reiter von der Straße vertrieben. Nur vereinzelte Gruppen kämpften sich in der Dunkelheit durch die Berge. Wenn wirklich einer der berühmten Pilgerwege der Pyrenäen durch diese Schlucht verlief, war die Unterbringung von Gästen für den Schmied sicher ein einträgliches Geschäft.
    Claude und Thierry verharrten neben dem qualmenden Meiler. Von den beiden Reitern war nicht mehr zu sehen als zusammengesunkene Schatten mit nass glänzenden Köpfen, Schultern und Oberschenkeln. Die beiden Filmemacher ließen den Rauch über sich hinwegstreichen – das einzige bisschen Wärme in der Dunkelheit.
    »Wir verbringen die Nacht ebenfalls im Gästehaus«, sagte Lucian zu Ravenna. »Ich schaffe keinen Weiterritt durch diesen Sturm. Die Hand bringt mich sonst um.« Mit einer Grimasse hob er den verletzten Arm, den er beharrlich unter dem Mantel verbarg. »Ich gehe jetzt in die Stube und bitte die anderen Reisenden um ein Darlehen. Tiefer kann man wohl nicht mehr sinken. Sag du unseren beiden Begleitern Bescheid.«
    Sie nickte. Irgendwo an den Gebäuden schlug eine Tür, die von den Windböen hin und her geworfen wurde. Eine Geisterschmiede mit einem geisterhaften Schmied. Beliar hatte wieder einmal den perfekten Schauplatz gefunden.
    »Sie können absitzen«, rief sie den beiden Filmemachern über das Tosen von Wasser und Sturm zu. »Wir bleiben hier, und Sie übernachten bei uns – allerdings nur unter einer Bedingung.«
    Ihre Androhung ließ die beiden Kameraleute, die sich bereits aus den Sätteln hatten schwingen wollen, aufhorchen. Claude und Thierry schauten sie an.
    »Geben Sie mir das Band«, verlangte Ravenna, wobei sie die grünen Zeiger der Uhr im Auge behielt. »Das aus der Videokamera. Und machen Sie schnell. Ich will alles haben, was Sie heute aufgezeichnet haben: den Morgen am Lagerplatz, den Ritt durch die Berge, den Kampf gegen die Aaswölfe und natürlich diese unglückliche Szene zwischen Lucian und mir. Ich will nicht, dass Sie ein einziges Zitat von uns behalten.«
    »Was denn für ein Band? Das ist doch eine Digitalkamera.« Claude klang hörbar verschnupft.
    »Dann eben die Speicherkarte. Den Chip. Es ist mir egal, was es ist. Hauptsache, kein einziger Seufzer dringt nach außen. Dann können Sie mit uns in die warme Stube kommen. Ansonsten – viel Vergnügen auf der Pilgerroute.«
    Boshaft winkte sie in Richtung Straße. Ein schlammiger Sturzbach ergoss sich über die Schotterpiste, und der Himmel sah aus, als würde der Sturm die ganze Nacht anhalten. Einige Augenblicke lang herrschte Schweigen.
    »Monsieur Le Malin wird uns umbringen«, murrte Thierry. »Er bezahlt uns schließlich für unsere Arbeit. Verstehen Sie das? Wenn wir ihm keine Bilder liefern, sind wir unseren Job los. Er hat uns angeheuert, damit wir mit Ihnen reiten und Sie filmen. Kein Mensch würde so einen Höllentrip freiwillig mitmachen.«
    »Das ist mir egal«, stieß Ravenna hervor. »Entweder bekomme ich, was ich will, oder Sie können Beliar ausrichten, dass ich Sie persönlich zum Teufel gejagt habe. Ich will die Aufnahmen. Oder unser gemeinsamer Ritt endet hier.« Sie zitterte mittlerweile vor Kälte und wurde zunehmend nervöser, je länger das Gespräch dauerte. Lucian war noch nicht aus dem Haus am Seeufer wiedergekehrt – und der

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