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Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Tore der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Nicolai
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angerichtet.«
    »Aber …«
    »Schau nicht zurück!« Lucians Ton klang schärfer. »Niemals.«
    Sie drehte sich trotzdem um. Die Kopfgeldjäger waren in der Menge verschwunden. Das Mädchen, das sich in den Graben geworfen hatte, um nicht von Ghost niedergetrampelt zu werden, angelte nach den Zügeln eines Bergpferdes. Ungeschickt setzte sie den nackten, schmutzigen Fuß in den Steigbügel.
    Mit einer Verwünschung auf den Lippen drehte sich Ravenna wieder nach vorn. Die Straße wand sich die Schlucht hinauf und bog dann um eine Felsnase. Noch immer trieb Lucian den Hengst zu höchstem Tempo an. Erst als dieses Wegstück hinter ihnen lag, nahm die Zahl der Pilger ab. Sie kamen nur noch an einzelnen offenen Wagen und Kutschen vorbei. Die Fußgänger schauten kaum mehr zu ihnen auf. Mit gesenkten Köpfen wanderten sie dem Wind entgegen. Schließlich merkte Ravenna, dass das ständige Donnern und Rauschen nicht länger nur vom Regen und den hämmernden Pferdehufen kam.
    Vor ihnen stürzte ein Wasserfall in die Tiefe. Die schäumenden Wassermassen versprühten bleichen Dunst. Langgestreckte, mit Schindeln gedeckte Dächer tauchten vor den Wasserschleiern auf, überragt von einem düsteren, tonnenförmigen Gebäude. Der Turm erinnerte Ravenna an eine Windmühle, deren Flügel gestutzt worden waren. Das Anwesen machte einen verkommenen Eindruck.
    »Dort vorne liegt die Schmiede«, rief Lucian und zog endlich die Zügel an. Schnaubend fiel Ghost in ein langsameres Tempo. Lucian beugte sich über den verletzten Arm, als verschlimmerten sich die Schmerzen mit jedem Schritt.
    »Endlich.« Ravenna seufzte erleichtert auf. Ihre Arme und Beine zitterten vor Anstrengung. »Wenn wir dort sind, verbinde ich deine Hand. Und dann ruhen wir uns aus.«
    Lucian schüttelte den Kopf. »Erst rufen wir den Schmied«, sagte er.
    Ravenna fand diese Antwort seltsam. Weshalb sollten sie den Schmied rufen, wenn sie doch seine Schmiede gefunden hatten? Sie hatte jedoch keine Gelegenheit, Lucian um eine Erklärung zu bitten. Die beiden Filmemacher schlossen zu ihnen auf, die Gesichter blass und mit Dreck gesprenkelt. Die kleine, braune Stute schnaubte bei jedem Schritt. Schaum tropfte von ihrem Maul, und ihre Augen waren aufgerissen. Aber sie hatte durchgehalten. Die Ausrüstung des Teams schaukelte auf ihrem Rücken. Wenigstens in dieser Hinsicht waren das schlechte Wetter und der mörderische Ritt ein Segen, dachte Ravenna. Endlich wurden einmal keine Aufnahmen gemacht.
    »Wie viel Zeit haben wir noch?«, fragte Lucian.
    Claude nestelte umständlich an seinem Ärmel und blickte auf die Uhr – ein wasserdichtes Ungetüm, das einem Taucher Ehre gemacht hätte.
    »Zwanzig vor acht«, sagte er undeutlich. Die Kapuze war so fest gezurrt, dass sie ihn beim Sprechen behinderte. »Um acht sollen wir Monsieur Le Malin treffen und ihm die Aufnahmen des heutigen Tages übergeben.«
    »Wo?«, fragte Lucian.
    Der Tontechniker deutete auf den Wasserfall.
    »Gebt Ravenna die Uhr«, befahl der junge Ritter. »Nun macht schon. Wir haben keine Zeit zu verlieren.«
    Mit einem undeutlichen Brummeln löste Claude das Armband. Ravenna nahm die Uhr und behielt sie in der Hand. Lucian hatte weiter gedacht als sie. Es gab tatsächlich ein Zeitlimit für die Erfüllung dieser Aufgabe. Finde den Schmied von Durendal.
    Als sie sich der Schmiede näherten, stellte sie fest, dass die Gebäude am Wasserfall alle verlassen waren. Eine große Scheune erstreckte sich am See, das Wohnhaus schmiegte sich an die Stirnseite. Der Dachfirst war gebrochen, und der Wind hatte Löcher in die Schindeleindeckung gerissen. Nirgendwo war Licht zu sehen. Der Hof wurde begrenzt von einem Schuppen, einem leer stehenden Stall und einer nach allen Seiten offenen Überdachung, unter der zu Ravennas Überraschung eine große Menge frisch gespaltenen Brennholzes lagerte. In der Nähe schwelte ein mannshoher Meiler, umzäunt von einem Gatter. Dichter, teeriger Rauch stieg aus dem Kegel auf.
    Am unheimlichsten war jedoch der tonnenartige Turm. Haushoch ragte er über alle anderen Dächer hinaus. Im Gegensatz zu den hölzernen Scheunen und Schuppen bestand er aus unbehauenen Felsbrocken. Eine Schmiede sah jedenfalls anders aus, fand Ravenna. Der Turm war auf den nackten Felsen gebaut, dicht am Ufer des Beckens, in dem sich der Wasserfall sammelte.
    »Bist du sicher, dass wir hier einen Schmied finden? Für meine Begriffe sieht dieser Hof ganz schön gruselig aus«, raunte sie Lucian zu. Sie wagte

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