Tore der Zeit: Roman (German Edition)
uns angreifen? Vor diesen ganzen Leuten?«
Lucian zuckte die Achseln, während er das Schwert an den Schultergurt hakte und die Riemen festzurrte. So hatte er beide Hände frei, um Ghost zu lenken. Auftauchen und verschwinden wie ein Geist – wie viel hätte sie jetzt für diese Fähigkeit gegeben.
»Du musst dir etwas einfallen lassen«, stieß Lucian hervor. »Und zwar schnell. Wir dürfen nicht zusammenbleiben.«
Vom Rand der Menge aus gab Ramon ihm ungeduldige Zeichen. Die Hexen waren bereits vorausgeritten. Der Pfad schlängelte sich am Rand der Wiese empor. Der König ritt wie immer allen voraus.
»Im Turm bist du in Sicherheit, Ravenna. Also musst du zusehen, dass du es bis dorthin schaffst. Doch Beliar wird es uns nicht leichtmachen.«
Sie nickte. Nur Sekunden später bestätigte sich Lucians Verdacht.
»Hier liegt das Gold«, rief Beliar und deutete auf das Kissen, das Oriana zur Bühne gebracht hatte. Es ruhte nun auf einem umgedrehten Fass. Die Sonne schimmerte verlockend auf dem Schatz.
»Wer Ravenna bei diesem Rennen hilft, soll den Preis bekommen! Ich weiß, dass es einige unter euch gibt, die von Velascos Angebot gehört haben. Der Schlossherr von Carcassonne versprach demjenigen das Doppelte, der Lucian und seine Hexe gefangen nimmt. Aber was ist besser: dieser glänzende Haufen oder das vage Versprechen eines Hexers? Deshalb entscheidet euch jetzt, wen ihr bei diesem Rennen unterstützen wollt! Währenddessen bitte ich die Teilnehmer zur Startlinie: Vadym auf Spellbreaker, Vasily auf Gloom, Lucian auf Ghost und Ravenna auf ihrer Stute Willow.«
Mit gehetztem Blick drehte sie sich um und sah, wie die Russen bereits zu dem flatternden Band trabten, das Yvonne und Oriana quer über die Wiese spannten.
»Einen Moment noch!«, schrie sie. Beliar schaute sie fragend an. »Ich habe doch auch in der letzten Runde einen Joker«, stieß sie hervor und hoffte, dass man ihrer Stimme das verräterische Schwanken nicht anhörte. »Das ist richtig, oder?«
Beliar zögerte einen Augenblick. Er schien sich zu fragen, worauf das Ganze hinauslief. Schließlich zuckte er die Achseln.
»Ja, das stimmt«, gab er zu. »Aber was willst du wählen? Das Medium hast du bereits gefragt. Und du hattest deine Chance beim Publikum. Was bleibt da noch übrig?«
»Der Fifty-Fifty-Joker«, erklärte Ravenna und sah, dass Lucian um ein Haar laut aufgelacht hätte. Sie straffte den Rücken. »Und das bedeutet: Nur Vadym und ich reiten bei diesem Rennen mit. Vasily und Lucian scheiden aus. Sie können zu den Türmen reiten, so langsam oder so schnell es ihnen passt.«
Beliar betrachtete sie mit verschränkten Armen. Sein Umhang bewegte sich im Wind. Offenbar versuchte er zu durchschauen, was in ihrem Kopf vor sich ging.
Sie lächelte ihn an. Und ihr Lächeln wurde breiter, je länger sein Schweigen anhielt. Er hatte die Regeln des WizzQuizz ausgeheckt – und sie beide hatten sie unterschrieben. Auch der Teufel musste sich an die Bedingungen seiner Wette halten.
»Meinetwegen«, verkündete Beliar endlich. »Du sollst deinen Willen haben. Nur du und der Magier aus Sankt Petersburg nehmen an dem Rennen teil. Jetzt reitet zur Startlinie – es geht los!«
Ravenna eilte zu Willow, die Lucian für sie an die Bande drängte, schob den Kelch in die leere Satteltasche und kletterte auf den Pferderücken. Ein kurzer Händedruck, sie wünschten einander Glück – dann ließ Lucian ihre Finger los und galoppierte zu seinen Freunden.
Während die Stute zur Startlinie tänzelte, überprüfte Ravenna hektisch ihre Ausrüstung. Sie vergewisserte sich, dass alle Schnallen geschlossen waren, dass der Sattelgurt straff genug saß, und sie verkürzte die Steigbügelriemen, bis sie sich wie ein Jockey zusammenkauern konnte.
Ihr Herz pochte hart. Ein Rennen gegen den Magier aus Sankt Petersburg, ein Wettlauf um Leben und Tod – etwas anderes hatte sie nicht zu erwarten.
Als sie zur Startlinie kam, sah sie, wie Lucian und seine Begleiter am Rand der Wiese hinaufritten, eine Reihe von Reitern auf silberweißen Pferden. Auf der anderen Seite des Berghangs machten Vadyms Freunde dasselbe. Claude und Thierry waren abgestiegen. Das Filmteam blieb am Rand der Bühne zurück. Offensichtlich hatten die beiden genug von halsbrecherischen Hetzjagden durchs Mittelalter.
Ravenna straffte die Zügel und beugte sich so tief über Willows Mähne, dass ihr der warme, erdige Geruch der Stute in die Nase stieg. Die Pferde schnaubten aufgeregt. Sie
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