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Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Tore der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Nicolai
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bemerkte sie, wie jemand dafür sorgte, dass Vadym sehr schnell von der Bühne verschwand. Gleich darauf tauchte der Magier bei den anderen Russen auf. Wutentbrannt schwang er sich in den Sattel seines Rappen.
    Lucian starrte zu ihr herüber. Er wirkte angespannt. Sie wünschte sich inständig, sie könnte einfach den Geldpreis wählen. Dann hätten sie endlich ihre Ruhe, müssten nur noch durch das Tor reiten, und alles wäre vorbei. Gleichzeitig wusste sie, dass sie sich selbst etwas vorlog.
    Oriana zog das Tuch, das über ihr Kissen gebreitet war, mit einem Ruck zur Seite. »Und hier ist er, der Geldpreis der dritten Runde«, rief sie.
    Der Anblick der vielen Goldmünzen, die Oriana nur mit Mühe auf dem Kissen balancieren konnte, war ein Schock für Lucian – das merkte Ravenna ihm an. Offenbar hatte er noch nie so einen aufgehäuften Reichtum gesehen. Das Papiergeld, das Beliar in ihrer Zeit vor ihrer Nase geschwenkt hatte, hatte kaum eine Bedeutung für ihn. Doch beim Anblick des Goldes schien er zu begreifen, um welchen Schatz sie die ganze Zeit über spielten: um eine Summe, die dem Kaufpreis einer kleinen Grafschaft entsprach. Oder dem Lösegeld für einen Herzog.
    »Fünfhunderttausend Euro in purem Gold. Diese Summe könnte in einer Minute dir gehören, Ravenna«, lockte Beliar sie wieder. »Die Frage lautet allerdings: Was befindet sich unter dem zweiten Tuch? Was hält die Fürstin des Feuers wohl für dich bereit?«
    Ihr Puls begann zu rasen. Abermals stand sie vor einer Entscheidung, die nichts Gutes für sie bedeuten konnte. Und wieder hatte sie keine Wahl – sie musste sich auf diesen Wahnsinn einlassen. Oder die Sieben waren verloren.
    Sie musterte ihre Schwester, versuchte ihr irgendeinen Hinweis von den Augen abzulesen. Yvonne biss sich manchmal auf die Lippen. Unter der Maske wurde sie abwechselnd blass und rot, wenn die Schmerzwellen sie durchströmten. Aber das überhebliche Lächeln legte sie nicht ab.
    Ravenna griff zu. Sie langte weder nach dem alchemistischen Gegenstand noch nach dem Tuch – sie griff nach der Maske, die ihre Schwester trug.
    Yvonne zuckte vor ihrer Hand zurück, schlug ihren Arm zur Seite. »Mach jetzt keinen Fehler«, zischte sie. »Entscheide dich! Und lass mich dabei aus dem Spiel!«
    »Ich spiele nur wegen dir«, gab Ravenna zurück. »Und ich gebe nicht auf, bis du zur Vernunft gekommen bist.« Laut rief sie: »Ich wähle den alchemistischen Preis!«
    Blitzschnell riss Yvonne das Tuch weg. Auf dem Kissen lag ein silberner Kelch, der mit einem spitz zulaufenden Deckel verschlossen war. Gravuren überzogen das Metall: Ranken, Blumen, Blätter. Ein alchemistischer Gral. Beliar hörte nicht auf, sie zu verhöhnen.
    Ravennas Finger zitterten, als sie das Gefäß nahm. Der Deckel ließ sich nicht öffnen. Sie hatte auch nichts anderes erwartet. Es war genau wie bei den anderen Etappensiegen – ihre Siegerprämie gab ihr nur wieder neue Rätsel auf.
    »Finde heraus, wie man diesen Behälter öffnet. Der Inhalt wird dir verraten, wie die letzte Aufgabe lautet. Die letzte Prüfung vor dem großen Finale«, sagte Beliar zu ihr. Yvonne und Oriana verließen schon die Bühne.
    »Und jetzt komm: Es wird Zeit für das Rennen.«
    Der Spielmacher winkte sie zum Rand der Tribüne. Mit einem flattrigen Gefühl im Magen musterte Ravenna das Gatter, auf das er deutete. Die Absperrung führte mitten durch die Menge, bis hinauf zu den beiden grauen Türmen. Das Publikum drängte sich zu beiden Seiten des hölzernen Geländers. Es war auf Pfählen befestigt, die man in den Boden gerammt hatte. Die Konstruktion wirkte nicht sehr vertrauenerweckend.
    »Ravenna! Ravenna!« Erst jetzt merkte sie, dass Lucian schon die ganze Zeit versuchte, zu ihr durchzudringen. Sie wand den Arm aus Beliars Griff und ging zu ihm.
    »Du hast das mitbekommen, ja?«, fragte sie, während sie die Übelkeit in Wellen erfasste. »Du weißt, worum es geht.«
    Aber ihr Ritter war mit seinen Gedanken woanders. »Wir dürfen nicht zusammen reiten«, stieß er hervor. »Marvin hat meinen Vater oben bei den Türmen gesehen. Velasco lauert uns am Zieleinlauf auf. Während du das Rennen reitest, finde ich einen anderen Weg. Ich finde ihn . Bevor er dich findet, hörst du?«
    Ravenna schlang beide Arme um den Kelch, damit niemand sah, wie sehr sie zitterte. Dutzende Leute glotzten sie an. Die Gedanken überschlugen sich in ihrem Kopf.
    »Aber wie … was soll ich denn machen? O Gott – glaubst du wirklich, Velasco würde

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