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Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Tore der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Nicolai
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schienen zu spüren, was vor sich ging.
    Beliar hob den Arm. Eine Flagge flatterte in seiner Faust. Herolde ließen einen Trommelwirbel erklingen. Die beiden maskierten Hexen, die das Band hielten, lächelten.
    Dann zählte der Teufel die Sekunden bis zum Start.
    Der Boden schien sich unter ihr zu krümmen – und Willow raste los. Dreckklumpen flogen in die Luft, als die weiße Stute mit angelegten Ohren an Vadyms Rappen vorbeizog. Sie schlug den russischen Magier schon auf den ersten Metern. Die Stute schien genau zu wissen, worauf es ankam. Ravenna klammerte sich fest, um das Pferd nicht aus dem Rhythmus zu bringen. Sie überließ es Willow, das Rennen zu machen.
    Sie war noch nie in einer solchen Geschwindigkeit geritten. Willow stürmte so schnell bergauf, dass ihr fast die Luft wegblieb, sie hatte nur einen Gedanken: vorwärts! Der Gegenwind trieb ihr Tränen in die Augen. Der Donner der Hufe trug sie den Hang hinauf, und die Gesichter rechts und links verschwammen zu einer hellen Masse.
    Vadym bearbeitete sein Pferd mit der Peitsche. Sie hörte die Atemstöße des Rappen, als er aufholte. Dann nahm sie den lackschwarzen Hals des Pferdes neben sich wahr, das Lodern seiner Mähne und die rot aufgerissenen Nüstern.
    Sie machte sich so klein wie möglich. Sie und Vadym galoppierten in der Mitte der Bahn, so weit wie möglich von Hindernissen und den ausgestreckten Händen der Zuschauer entfernt. Die grauen Türme kamen rasch näher. Vom Grund des Tals aus hatten die Bauwerke nicht so breit und wuchtig gewirkt. Vergeblich suchte Ravenna nach einer Tür oder einem Eingang. Aber da war nur grauer Stein.
    »Das Losungswort«, schrie sie Vadym zu. »Für jeden Turm braucht man eine Parole. Hast du eine Ahnung, was es sein könnte?«
    Er starrte sie an, die Zügel um die Fäuste geschlungen, im Rennsitz über dem Sattel, genau wie sie. Ravenna griff nach der Kapuze, zerrte sich die Haube vom Kopf. Sie wollte freie Sicht für die Kamera. Ihre Haare lösten sich und wehten in Wellen um ihre Schultern.
    »Warum tun wir uns nicht zusammen?«, schrie sie, während sich die Pferde ein Kopf-an-Kopf-Rennen lieferten. »Legen Beliar aufs Kreuz, statt uns gegeneinander ausspielen zu lassen! Ich weiß, wie du den Tod deines Freundes rächen kannst.«
    Der Russe schrie ihr etwas Obszönes zu und setzte wieder die Peitsche ein. Plötzlich bäumte sich der Rappe auf. Spellbreaker brach zur Seite aus und schnitt die Bahn der Stute – ein lebensgefährliches Manöver bei diesem Tempo.
    Die Bande war durchbrochen. Menschen strömten auf die Rennbahn und stürmten den galoppierenden Pferden entgegen, manche mit ausgebreiteten Armen. Nur die Vernünftigsten und die Familien mit kleinen Kindern flohen zum nahen Waldrand.
    Vadym fluchte und neigte sich zur Seite. Mit einem Satz sprang der Rappe über die umgerissene Umzäunung. Ein scharfer Schmerz traf Ravenna in die Seite. Ein Stein, den jemand geworfen hatte. Sie warf der Stute die Arme um den Hals, durchgeschüttelt von den heftigen Bewegungen. Der Boden schwand unter den trommelnden Hufen. Hier lag ein Schuh, dort ein Fetzen, der vielleicht einmal ein Kopftuch gewesen war. Die Angst hatte jedes vernünftige Maß überschritten.
    Ein weiteres Wurfgeschoss traf Willow an der Schulter und entlockte der Stute ein Grunzen. Ravenna klammerte sich fest, um nicht abgeworfen zu werden. Noch blieb Willow im Rennen. Sie heftete sich an die aufblitzenden Hintereisen des Rappen, verausgabte ihre Kräfte auf dem nächsten Stück. Schaum sprühte bei jedem Atemstoß aus Willows Nüstern. Die Türme ragten wie graue Schatten vor ihr auf. Das unwirkliche Tor dazwischen flatterte wie hauchdünne Gaze.
    Ein zerlumpter Bauer warf seinen Kittel ab und schwang seine Hacke herum. Am unteren Ende steckte ein metallener Aufsatz, der wie ein Pentagramm geformt war. Ein Hexer in funkelnder Schuppenrüstung. Weitere Schwarzmagier enttarnten sich auf diese Weise.
    » Runanier!« , schrie Ravenna und berührte Willow am Hals.
    Die Wirklichkeit verformte sich. Berge und Himmel wurden wie ein Vorhang gerafft. Dann strafften sie sich wieder, katapultierten sie und ihr Pferd einfach ein Stück näher an ihr Ziel. Willow strauchelte, als die Hufe wieder im Diesseits aufsetzten. Ein Fehltritt bei dieser Geschwindigkeit und sie brachen sich den Hals.
    Vadym lag plötzlich drei Pferdelängen zurück. Sie sah sein verblüfftes Gesicht zwischen den schwarzen Flammen der Mähne. Als sie sich wieder nach vorn drehte, hatte

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