Tore der Zeit: Roman (German Edition)
Schusswaffen erklärt. Keine schöne Vorstellung, aus dem Hinterhalt von einer Bleikugel getroffen zu werden. Oder war es Silber?
»Siehst du das?«, flüsterte Lucian seiner Hexe ins Ohr. Sie starrte ebenfalls auf die bewegten Bilder und zog dabei die Schultern hoch. »Mir passiert nichts. Selbst wenn Cezlav mit einer Pistole herumfuchtelt und wir aus dem Fenster springen.«
Ravenna schauderte und schwieg. Als der Concierge wiederkam, trug er einen Stadtplan bei sich, den er über den Tresen ausbreitete. »Also, das Hotel liegt hier.« Er tippte mit dem Finger auf eine Straße am Fluss. »Sie gehen am besten am Ufer entlang und biegen dann zweimal ab – hier und hier. Von da ist es nicht mehr weit.« Er hob den Kopf und sah Ravenna prüfend an. »Soll ich Ihnen nicht doch lieber ein Taxi rufen?«
Sie wurde rot. »Nein danke, nicht nötig. Wir finden uns schon zurecht.« Dann zögerte sie. »Also, eine Sache wäre da doch noch: Könnten Sie dafür sorgen, dass niemand unser Zimmer betritt? Ich meine, kein Zimmermädchen und auch niemand … von außen. Über den Balkon beispielsweise.«
Der Empfangschef hob eine Augenbraue. »Madame«, sagte er entrüstet. »Wo denken Sie hin? Unser Haus verfügt über einen Sicherheitsdienst und eine Alarmanlage. Hier klettert niemand über den Balkon.« Umständlich faltete er den Stadtplan wieder zusammen. »Ah, ich verstehe«, murmelte er dann. »Sie lassen den alchemistischen Koffer hier. Nun, keine Sorge. Ich werde gut auf Ihre Sachen aufpassen.«
Ravennas Schultern sanken herab. »Danke«, sagte sie. Sie warf Lucian einen Seitenblick zu, als wolle sie sich vergewissern, dass auch er beruhigt war.
»Keine Ursache«, meinte der Concierge. Dann warf er einen Blick in die Lobby. Als er feststellte, dass sie die einzigen Gäste waren, beugte er sich über den Tresen. »Vielleicht könnten Sie auch etwas für uns tun.«
»Ach ja? Inwiefern?« Ravenna machte schmale Augen.
Lucian kannte diesen Gesichtsausdruck. So sah seine Hexe immer aus, wenn die Dinge nicht glatt liefen. Wie eine grauäugige Katze.
»Nehmen wir an, wir hätten da ein kleines Problem mit einem Poltergeist«, raunte der Empfangschef. »Rein hypothetisch gesprochen. Dann wüssten Sie als Zauberkundige doch sicher Rat.«
Ravenna leckte sich über die Lippen. »Sie haben einen Poltergeist? Hier im Hotel? Das ist nicht Ihr Ernst.«
»Vielleicht täusche ich mich auch«, fuhr der Empfangschef fort. »Jedenfalls war da diese alte Dame aus Zimmer 313. Seit Jahren wohnte sie hier im Hotel. Eine Witwe von adeligem Stand, wenn Sie verstehen, was ich meine. Jeden Morgen ging sie mit ihrem Hündchen am Fluss spazieren. Bis sie eines Tages nicht mehr aufwachte.«
»Sie meinen, die Dame ist hier gestorben? Im Hotel?«
Der Concierge nickte. »Seitdem erhalten wir immer wieder Beschwerden von Gästen. Von nächtlichen Klopfgeräuschen. Oder dass das Duschwasser plötzlich ohne erkennbaren Grund abgestellt wird. Einmal stand ein Lampenschirm in Flammen.«
Ravenna verbiss sich das Lachen. Nervös blickte Lucian auf die Uhr. Wenn seine Hexe an diesem Abend noch Geld verdienen wollte, mussten sie sich langsam beeilen. Doch sie schien an dem Problem mit dem Geist Gefallen zu finden.
»Hören Sie, Monsieur …« Fragend schaute sie auf das Namensschild, das am Empfang aufgestellt war.
»Philippe«, sagte der Empfangschef schnell. »Nennen Sie mich einfach Philippe.«
»Also schön, Philippe. Sie sollten der Dame ihr altes Zimmer wiedergeben. Mit allem Drum und Dran. Sie wissen schon: Zimmerservice, Wäschedienst, jeden Morgen ein frisches Handtuch und so weiter. Auch ein neues Hündchen wäre vielleicht nicht schlecht.«
»Du lieber Himmel«, murmelte der Concierge. »Was wird die Geschäftsleitung dazu sagen? Zimmer 313 ist eine unserer besten Suiten. Sonnige Südseite mit Blick auf den Fluss. Wir können doch unmöglich an ein Gespenst vermieten.«
Ravenna ließ den Finger über den Tresen wandern. »Tja, das – oder weitere Beschwerden. Übrigens, wenn ich Ihnen noch einen Rat geben darf: Aus genau diesem Grund führen andere Hotels erst gar keine Zimmer mit der Nummer 13. Haben Sie gestern Abend etwa kein WizzQuizz geguckt?« Sie zwinkerte vielsagend.
»Wir sind hier nicht in Amerika«, meinte Philippe, und Ravenna lachte.
Draußen vor dem Hotel war es windig und dunkel. Sie hatten die Stadt am Morgen nach ihrer Ankunft erkundet. Lucian hatte eine ungefähre Vorstellung davon, wo sie waren. Während sie nun der
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