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Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Tore der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Nicolai
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endete und am Ausschnitt ein klein wenig glitzerte.
    Offenbar bemerkte sie sein Interesse, denn sie senkte den Kopf und versuchte den Rocksaum tiefer über die schwarzen Strümpfe zu ziehen. »Das kleine Schwarze ist wohl ein wenig zu klein geraten«, stieß sie hervor. Dann schien sie auch sein verändertes Äußeres zu bemerken. Sie betrachtete ihn von oben bis unten. Als er die Hände hob, um seine Machtlosigkeit in der Kleidungswahl anzudeuten, lächelte sie.
    »Das sieht gut aus«, beruhigte sie ihn. »Wirklich. Komm, setz dich zu mir.«
    Lucian seufzte und ließ sich neben sie auf das weiche Sofa sinken. Er versuchte, sich zu entspannen und gleichzeitig wach und aufmerksam zu sein, gerade so als wäre das Studio die Halle eines feindlichen Grafen. Er war vertraut mit solchen Situationen. Wenn es zu schwierigen Verhandlungen kam, hatte der König meist ihn und Ramon mitgenommen, seltener auch einen der älteren Ritter.
    »Wir machen jetzt schnell ein paar Probeaufnahmen, und dann geht es weiter«, schnarrte der Regisseur, ein dünner, schlecht gelaunter Mann mit einer schwarzen Brille. »Sie sind ganz schön spät dran.« Sein Blick zuckte zur Armbanduhr.
    Lucian antwortete nicht. Bequem streckte er die Beine aus. Die wichtigste Regel bei Verhandlungen lautete, sich nicht mit Untergebenen zu befassen. Verstohlen hielt er nach Vanessa Ausschau – jener Hexe, mit der er eine Vereinbarung hatte.
    Der Regisseur schnipste ungehalten mit den Fingern. »Hier spielt die Musik«, rief er. »Wenn ihr das rote Lämpchen seht, seid ihr zwei Spaßvögel auf Sendung.«
    Lucian runzelte die Stirn. Aber Ravenna nahm seine Hand und legte sie auf ihr Bein, die Finger mit seinen verschränkt. Sie roch fremd, aber unbeschreiblich aufregend, und die Ohrringe stießen bei jeder Bewegung leicht gegen ihren Hals. Plötzlich bekam Lucian Lust, etwas ganz anders zu tun als auf der Couch zu sitzen und aufVanessa zu warten. Doch wenn sie jetzt aufstanden, würde der Aufnahmeleiter vermutlich völlig die Fassung verlieren.
    »Drei … zwei … eins – und bitte!«
    Aus dem Nichts ertönte eine Fanfare. Dieser Ablauf war Lucian mittlerweile vertraut. Auch der Beginn des WizzQuizz war nicht anders gewesen. Die Scheinwerfer richteten sich diesmal auf eine Tür, und als sie zur Seite glitt, trat Vanessa Chanterel auf.
    Bei ihrem Anblick raffte sich Lucian auf und setzte sich gesitteter auf die Couch. Die Frau, die erst zu ihnen kam, um ihnen die Hand zu schütteln, und dann an dem geschwungenen Pult Platz nahm, war zweifellos eine Hexe. Ihr Haar war knallrot gefärbt und umschloss ihren Kopf wie ein Helm. Die Lippen hatten dieselbe Farbe wie die unnatürlich langen Fingernägel. Eine Kette umschloss ihren Hals, die Lucian unwillkürlich an den Weihnachtsschmuck denken ließen, den er an Mittwinter in der Stube von Ravennas Eltern gesehen hatte. Vanessa war klein, untersetzt und unglaublich flink. Während Lucian sie betrachtete, fragte er sich, welche der vielen verschiedenen magischen Gaben sie wohl besaß.
    »Und schließlich sind sie doch gekommen, meine Damen und Herren: Ravenna und ihr geheimnisvoller Begleiter. Wie schön, dass Sie es heute Abend zu uns ins Studio geschafft haben! Ich verstehe natürlich, dass Sie momentan sicher ganz schön eingespannt sind. Schließlich befinden wir uns mitten in der zweiten Runde des WizzQuizz.«
    Erst da begann Lucian zu begreifen, wie sehr sie sich verspätet hatten. Die Talkshow hatte bereits ohne sie angefangen. »Äh … ja. Wir hatten einige Schwierigkeiten auf dem Weg hierher«, stammelte Ravenna. »Aber jetzt sind wir da.«
    »Und wie Sie da sind!«, lachte Vanessa. »Wussten Sie, dass die Einschaltquoten der Show gestern Abend sensationell in die Höhe geschossen sind? Offenbar sind viele Menschen von Ihrem Schicksal bewegt. Gibt es denn schon eine Spur von Ihrer Schwester?«
    Ravennas Hand verkrampfte sich. Sie drückte so fest zu, dass sie Lucians Finger schmerzhaft zusammenquetschte. Seine Hexe arbeitete in einer Steinmetz-Werkstatt und konnte ordentlich zupacken.
    »Nein«, stieß sie hervor. »Ich … leider nicht. Aber wie ich hörte, kümmert sich Beliar um eingehende Hinweise. Ich meine natürlich: Monsieur Le Malin.« Sie blickte in Richtung Kamera.
    Plötzlich wurde Lucian klar, dass sie ihren Widersacher herausforderte. Auf diesem Wege ließ sie Beliar wissen, dass sie sein Spiel durchschaute und bereit war, die Partie aufzunehmen. Und halb Frankreich sah dabei zu.
    »Lucian?«

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