Tore der Zeit: Roman (German Edition)
miteinander verbunden.
Seine Hexe trat hinter ihn, schlang ihm die Arme um die Brust und legte die Wange an seinen Rücken. »Was hast du vor?«, fragte sie. »Willst du das Schwert etwa in die Talkshow mitnehmen? Da würde Vanessa aber Augen machen.«
Lucian seufzte. »Ich fühle mich nicht wohl dabei, ohne Waffe durch die Stadt zu laufen. Nicht nach dem, was heute Vormittag passiert ist.«
Ravenna hob den Kopf. »Du willst zu Fuß gehen?«
Lucian zuckte die Achseln. Heimlich genoss er die Wärme, die von ihrem Körper ausging. »Was bleibt uns anderes übrig?« Er schob die Klinge zurück und ließ sie mit einem Klicken einrasten. »Das Schwert bleibt hier. Auch wenn ich es gerne dabeihaben möchte. Aber ich weiß schon, was du dazu sagen würdest.«
Ravenna verzog den Mund zu einem amüsierten Lächeln. Er konnte es im Spiegel über dem Kopfende des Betts sehen. »Mal sehen«, überlegte sie. Dann zählte sie seine Vergehen an den Fingern auf. »Angriff auf einen russischen Einwanderer. Zerstörung fremden Eigentums, nämlich einer Fensterscheibe. Unerlaubter Waffenbesitz, falls jemand das Schwert in unserem Hotelzimmer findet. Und dazu kommt, dass du keinerlei Papiere vorweisen kannst. In dieser Welt existierst du nicht, Lucian, und ich habe keine Ahnung, was sie mit jemandem machen, den sie in keinem Computer finden.«
Er behielt das verhüllte Schwert noch einen Augenblick in der Hand. »Es ist gefährlich in deiner Zeit. Viel gefährlicher, als ich dachte. Cezlav hat mich angegriffen. Und er hatte eine feuerspeiende Waffe. Von jetzt an lasse ich dich nicht mehr aus den Augen.«
»Das hier ist nicht meine Zeit«, murmelte Ravenna, die Wange an sein Schulterblatt geschmiegt. »Na ja, irgendwie schon. Aber dann auch wieder nicht. All diese vielen Leute auf dem Hexenmarkt. Aberglaube an jeder Ecke. Und der Eiffelturm. Fünf Beine in einem Pentagramm … ich weiß nicht, ob es gut war, was wir an Mittsommer getan haben.«
Im Spiegel schaute Lucian sie an. »Wir haben gar nichts getan, Ravenna«, sagte er. »Wir haben unsere Bestimmung erfüllt. Ich glaube nicht, dass wir eine Wahl hatten. Und jetzt wartet eine neue Aufgabe auf uns. Wenn ich bloß daran denke, was dir die alte Zauberin auf dem Hexenmarkt erzählt hat … die Sieben in Gefahr. Krieg in Constantins Reich. Es lässt mir keine Ruhe.«
Widerwillig ließ sie zu, dass er sich aus ihrer Umarmung befreite. »Vielleicht stimmt es auch nicht. Es ist mehr als siebenhundert Jahre her. Man erzählt sich so allerhand über die Vergangenheit. Vieles stimmt nicht. Vielleicht hat sich die alte Hexe getäuscht.«
Er warf ihr einen Blick zu. »Das glaubst du doch selbst nicht.«
Ravenna schwieg. Seufzend schob Lucian das Schwert hinter seine Sachen und verriegelte die Schranktür. Den Schlüssel steckte er ein. Während er Ravenna in den Mantel half, dachte er darüber nach, dass er einen Weg finden musste, die Waffe in Zukunft bei sich zu tragen. Noch einmal wollte er den russischen Schwarzmagiern nicht mit leeren Händen begegnen.
Unten in der Lobby trat Ravenna an die Rezeption und tippte auf die kleine, silberne Klingel. Der Empfangschef kam aus dem Nebenraum. »Guten Abend, Ravenna. Was kann ich für Sie tun?«
»Ich …« Sie räusperte sich. »Können Sie mir bitte erklären, wie wir zum Studio von Kanal 5 kommen? Zu Fuß, meine ich.«
Der Concierge lächelte. »Aber sicher. Einen Augenblick bitte.« Er ging zurück ins Hinterzimmer. Durch die offene Tür sah Lucian, dass der Fernseher lief. Im Vorabendprogramm fasste ein gut gelaunter Beliar die Ereignisse des Tages zusammen. Die Aufnahmen zeigten ihn und Ravenna in der Morgensonne auf der Insel, aufgenommen aus der Vogelperspektive. Dann folgten die Verfolgungsjagd über den Hexenmarkt und der Sprung aus dem Fenster. Die Szene, als er den Dieb schnappte, hatte man glücklicherweise herausgeschnitten. Einen Jungen, der halb so alt war wie er selbst, am Kragen zu packen und durchzuschütteln, gehörte sicherlich nicht zu seinen Ruhmestaten. Dafür wiederholte man ihren Sturz aus dem Fenster aus allen möglichen Kameraperspektiven.
Lucian schüttelte den Kopf. Sie hatten sich Schnittwunden und Hautabschürfungen geholt. An der Stelle, an der ihn der Schlag des russischen Taschenspielers getroffen hatte, bildete sich ein faustgroßer Bluterguss. Den Nachmittag hatten sie damit zugebracht, ihre Blessuren zu verarzten und ihre Kleidung in Ordnung zu bringen. Anschließend hatte ihm Ravenna alles über
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