Tore in der Wüste
e i nem behelfsmäßigen Bretterboden, der den Arbeitern, die zum Aufzug wollten, als Sammelstelle diente, und spähte auf mich herab. Wieder wurden seine Augen von dem sel t samen Leuchten erhellt.
Dann eine Bewegung!
Ich klammerte mich fest und hob eine Hand, um meinen Kopf zu schützen, aber das war unnötig.
Das Klappern, Scheppern, Klingeln und Rasseln der Kiste mit Nägeln, Schrauben und was auch immer, die er auf mich herabgeschüttet hatte, erreichte mich, verlor sich weiter u n ten, bis es endete / endete / endlich endete.
Ich sparte den Atem, den ich normalerweise für Flüche gebraucht hätte, zum Klettern. Kaum war die Luft rein, stieg ich wieder höher. Je höher ich kam, desto stärker zerrte der kalte Wind an mir. Als ich einmal kurz nach unten blickte, sah ich Gestalten auf dem noch immer erleuchteten Dach gegenüber, doch daß sie viel erkennen konnten, vermochte ich mir nicht vorzustellen.
Als ich die Plattform erreichte, von der aus ich bomba r diert worden war, befand mein Gegner sich bereits zwei Stockwerke über mir; er schöpfte offensichtlich Atem. Das Aufspüren fiel mir mittlerweile leichter, denn die behelf s mäßig eingezogenen Stockwerke wurden immer seltener; ich befand mich inmitten gerader, klarer Linien, exakter Winkel und ansonsten offenen Raumes, ein Bauabschnitt, so spärlich und klassisch wie ein Theorem Euklids.
Der Wind wurde noch ein wenig kälter und stärker, als ich höher kletterte; die gelegentlichen Windstöße wurden zu einem konstanten Strom. Mit meinen Fingerspitzen konnte ich mittlerweile das konstante, rhythmische Schwingen der gesamten Struktur des Hochhausskelettes spüren. Die ei n zelnen, isolierten Geräusche der schlafenden Stadt sanken zu einem unterschwelligen Murmeln herab, zu einem Summen und Brummen, das sich schließlich ganz im Heulen des Windes verlor. Die Sterne und der Mond erhellten als einz i ge Lichtquellen die Struktur, auf der wir uns bewegten. Sämtliche Oberflächen waren trocken; mehr kann ein näch t licher Kletterer wirklich nicht verlangen.
Ich kletterte verbissen weiter. Höher. Höher. Die beiden Stockwerke hoch, die uns voneinander trennten. Dann noch eines.
Auf der Etage über mir blieb er stehen und starrte heru n ter. Es gab kein höheres Stockwerk mehr. Wir hatten das Ende erreicht. Daher wartete er.
Ich blieb ebenfalls stehen und erwiderte den Blick.
„ Einigen wir uns auf unentschieden? “ rief ich hoch. „ Oder muß es unbedingt zum Letzten kommen? “
Keine Antwort. Auch keine Bewegung. Er stand einfach nur oben und beobachtete mich.
Ich umklammerte mit einer Hand die nächsthöhere Str e be.
Mein Kontrahent wurde kleiner. Er hatte sich zusa m mengekauert und die Muskeln gespannt. Als wollte er springen …
Verdammt! Wenn ich den obersten Stock erreichte, war ich mehrere Augenblicke lang wehrlos. Mein Kopf blieb ungeschützt, zudem hatte ich beim Klettern keine Hand zum Schutz frei.
Ja, diese Chance würde er mit Sicherheit nützen, herabz u springen und mich anzugreifen.
„ Ich glaube, du bluffst “ , sagte ich. „ Ich komme. “
Ich umklammerte den Träger fester …
Dann gingen mir plötzlich Gedanken durch den Kopf, die ich normalerweise überhaupt nicht kenne: Was ist, wenn du fällst?
Ich zögerte – es war aber auch eine zu dumme Angel e genheit. Wer dachte schon an so etwas? Natürlich wußte ich genau, da ß i ch fallen konnte. Das war mir schon mehrmals passiert, mit den unterschiedlichsten Resultaten. Aber natü r lich macht man sich darüber nicht bewußt Gedanken bei solchen Aktivitäten.
Es ist sehr, sehr tief. Hast du dich je gefragt, was für G e danken dir durch den Kopf gehen könnten, kurz bevor die Lichter ausgehen?
Ich glaube, das hat sich jeder einmal gefragt, bei der einen oder anderen Gelegenheit. Solche Probleme sind aber in Wirklichkeit kaum der Rede wert, Gedanken daran sind e t was, was man ruhigen Gewissens auf dem Altar geistiger Gesundheit opfern sollte.
Schau hinab. Wie tief? Wie viele Meter bis dort unten? Was fühlt man bei einem solchen Fall? Spürt man ein Kri b beln in den Fingerspitzen, in den Zehen, in den Fäusten, den Knöcheln?
Natürlich. Aber wieder …
Schwindelanfälle! Sie überfluteten mich, Woge um W o ge. Ein Gefühl, das ich noch niemals zuvor mit solcher I n tensität gespürt hatte.
Fast gleichzeitig erkannte ich die Quelle meines Unbeh a gens. Es hätte schon einer großen Naivität bedurft, nicht d a hinterzukommen.
Mein kleiner bepelzter
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