Tore nach Thulien 2 : Dämmerung (German Edition)
langsam nachließen. Schon waren seine Bewegungen nicht mehr ganz so kraftvoll und geschmeidig wie noch eben, und der große Jagdspeer schien auf einmal viel schwerer als vorhin zu sein. Wenn nicht bald etwas geschah, würde er diesen Kampf verlieren. Dem Hellen, wie Liam ihn jetzt in Gedanken nannte, schien die Dauer des Kampfes nichts auszumachen. Widererwarten elegant und noch immer so kraftvoll und geschmeidig wie zu Beginn, konterte er jede Attacke von Liam. Er hatte keinen Speer, dafür lag in jeder Hand ein leicht gekrümmtes, blank poliertes Schwert. Auffällig daran war, dass jedes für sich keinerlei Parierstange besaß und oben halbseitig zur Spitze hin auslief. Die Waffen waren, wie auch ihr Träger, elegant und schön anzuschauen und nicht minder tödlich. Außer silbernen Unterarmschienen trug der Helle keinerlei Rüstung. Der Oberkörper war frei und von der Hüfte abwärts bis zu den Fußknöcheln schmiegte sich eine enge, lederne Hose um die Beine und die Taille. Bisher hatte sich Liam auf die ungeschützten Regionen seines Gegners konzentriert, doch nun änderte er seine Taktik. Wenn es ihm gelang, dem Hellen eine Verwundung an den Beinen oder den Armen zuzufügen, dann sollten die Siegesaussichten wieder annähernd ausgeglichen sein. Liam verlagerte sein Gewicht. Er atmete schnell und stoßweise. Schweiß lief ihm trotz der morgendlichen Kälte in kleinen Rinnsalen über den Rücken und jede freie Stelle seines Körpers dampfte. Sein Gegenüber hatte sich einen halben Schritt zurückgezogen und begann damit, ihn leichtfüßig zu umrunden. Er witterte die beginnende Erschöpfung Liams und wusste, dass das Pendel ab jetzt in die andere Richtung ausschlagen würde. Die Zeit zum Töten war gekommen.
Liam verfolgte jede noch so kleine Bewegung des Hellen. Mehr konnte er im Moment nicht tun, und genau genommen war er auch ganz froh darüber. Der Kampf war in eine passive Phase getreten und Liam nutzte jede Sekunde aus, um wieder zu Kräften zu kommen. Den Versuch, die Initiative nochmals an sich zu reißen, hatte er aufgegeben, und von nun an würde er seine Aktivitäten auf reine Abwehrmaßnahmen beschränken. Gleich würde es soweit sein. Der Angriff stand unmittelbar bevor. Irgendwo im Dunkeln peitschte plötzlich ein Bogen und genau in diesem Moment sprang der Helle nach vorn. Beide Arme ausgebreitet, und die messerscharfen Klingen auf die Brust des Landmanns gerichtet, kam er auf Liam zu. Sein Gesicht zeigte keine Regung und auch kein Laut ging über seine Lippen. Alles spielte sich in Bruchteilen von Sekunden ab, und Liam musste plötzlich über sich selbst lachen. Wie töricht der Gedanke eben doch gewesen war. Hatte er wirklich daran geglaubt, diesen Gegner besiegen zu können? Liam wurde klar, das der Helle den Tod brachte und er nur ein weiteres der unzähligen, namenlosen Opfer sein würde. Diese Kreatur tötete, und irgendetwas sagte ihm, dass ihr Lebenszweck allein darin bestand. Im Prinzip war der Kampf bereits verloren gewesen, ehe er überhaupt begonnen hatte. Liam konnte nicht gewinnen, und wenn doch, dann würde er das einzig und allein einem Wunder zu verdanken haben. Am Ende war es entweder ein letzter Funken Hoffnung, oder der tief in den Instinkten verankerte Überlebenswille des Menschen, der Liam dazu brachte, noch einmal seinen Speer zu heben. Es kam ihm selbst wie eine hilflose Geste vor, doch andererseits half es ihm auch dabei, sich bereit zu machen. Liam sah die beiden, im Licht der beginnenden Dämmerung aufblitzenden Schwerter auf sich zufliegen, und gleich würde er die bittersüße Umarmung des Todes spüren.
Doch es kam anders und das Wunder geschah. Der linke Fuß des Hellen knickte plötzlich zur Seite weg und er kam ins Straucheln. Liams Speer, der eigentlich wieder auf die Brust des Gegners gerichtet war, zielte nun auf die Kehle des Hellen und kam furchtbar schnell näher. Liam konnte sehen wie sein Gegenüber noch versuchte das Gewicht zu verlagern, doch war es bereits zu spät. Von der Wucht seines eigenen Sprungs nach vorne gerissen, trieb sich der Helle den Speer selbst tief in den Hals. Es knackte hörbar und im nächsten Moment durchschlug die Spitze der Waffe das Genick. Rot schimmernd trat sie auf der anderen Seite des Halses wieder hervor. Liam, der sein Glück in diesem Moment kaum fassen konnte, reagierte ohne nachzudenken. Mit einem Ruck drehte er den Speer im Hals der Kreatur herum und zog ihn raus. Erst als die Waffe den Körper
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