Torschlussmami: Eine Frau auf der Suche nach dem großen Babyglück (German Edition)
Lucy ihr böses zweites Ich, den Vibrator, präsentiert und die verhängnisvollen Worte ausspricht, die mein Leben verändern werden.
»Wenn Sie schon mal hier sind«, bemerkt sie in beiläufigem Ton, »kann ich mir auch gleich mal Ihre Eierstöcke ansehen.«
Ich bin kurz davor abzulehnen. Warum will sie meine Eierstöcke untersuchen? Ich habe welche – zwei, um genau zu sein, so wie es in der Bedienungsanleitung steht. Und ich bin mir sicher, dass sie in Ordnung sind, denn jeden Monat spüre ich einen ziehenden Schmerz im Unterleib, wenn ich meinen Eisprung habe. Ich zögere also zuzustimmen, auch weil ich ahne, dass bei der Untersuchung meiner Eierstöcke wieder etwas in mich hineingesteckt wird. Dr. Lucy spürt meinen Widerwillen und versperrt mir den Weg zu meinem Slip.
»Es wird nicht wehtun«, lügt sie.
Lucy ist schon seit vielen Jahren meine Gynäkologin, außerdem eine der wenigen Frauen ihres Fachs, die sich auf die Behandlung von Unfruchtbarkeit spezialisiert haben. Als die alten, verknöcherten, männlichen Gralshüter ihrer Disziplin sich weigerten, Lucy auszubilden, ließ sie sich davon nicht entmutigen. Sie ging mit ihrer Familie ein paar Jahre in die Staaten und machte dort ihre Ausbildung. Ich mag Lucy, weil sie sich getraut hat, mit der Tradition ihres Berufsstands zu brechen. Sie ist witzig, cool, feminin und lässt sich von niemandem etwas gefallen. Außerdem besitzt sie eine umwerfende Garderobe.
Widerwillig lege ich mich wieder hin und versuche, mich auf Lucys High Heels statt auf die Vibratorimitation, die sie für die Ultraschalluntersuchung meiner Eierstöcke benutzt, zu konzentrieren. Bestimmt bringen Lucys Füße sie am Ende des Tages um. Sie beginnt zu zählen.
»Eins, zwei, drei, vier …« Sie hört auf, als sie bei zwanzig ist.
»Zwanzig was?«, frage ich.
»Sie haben zwanzig Follikel in Ihrem rechten Eierstock«, antwortet sie.
»Und wie viele sollte ich haben?«
»Ungefähr zehn.«
Einen Moment lang bin ich sehr zufrieden mit mir. Ich bin gerne eine Überfliegerin. Zwanzig muss besser sein als zehn, richtig? Doch dann erklärt Dr. Lucy mir das Prinzip von ›Qualität statt Quantität‹. Jeden Monat produzieren die Eierstöcke neue Eizellen. Jede Eizelle reift in einem Follikel heran, und dann, ein paar Tage vor dem Eisprung, wählt der Körper die beste Eizelle aus, die weiterwächst, während die anderen verkümmern. Statt ungefähr zehn anständige Eizellen zu produzieren, bringt mein rechter Eierstock zwanzig von minderer Qualität hervor. Mein Körper verteilt seine Ressourcen so dünn, dass bei der Wahl der besten Eizelle von insgesamt zwanzig nichts besonders Gutes herauskommt, und höchstwahrscheinlich ist die Qualität zu schlecht für eine Befruchtung.
»Ein Glück, dass ich noch einen anderen Eierstock habe«, sage ich hoffnungsvoll.
Doch mein Optimismus ist nur von kurzer Dauer. Dr. Lucy untersucht meinen linken Eierstock und stellt die korrekte Anzahl von Follikeln fest. Ein Hoch auf mein linkes Ovar! Dann allerdings erzählt Dr. Lucy mir von der Zyste.
»Der Tumor kann harmlos sein«, sagt sie. »Aber er könnte auch eine Operation erfordern. Darum möchte ich eine Bauchspiegelung machen. Ich kann Ihnen für nächste Woche einen Termin geben.«
»Ist es Krebs?«, frage ich.
»Unwahrscheinlich.«
»Tja, dann brauche ich mir wohl keine Sorgen zu machen«, sage ich in seliger Ahnungslosigkeit.
Kaum habe ich einen Termin für die Bauchspiegelung vereinbart und Dr. Lucys Praxis verlassen, rufe ich meine beste Freundin an. Emma und ich kennen uns seit der Highschool. Sie war eine Klasse über mir, aber wir lernten uns bei den Proben für unser Schulmusical Bad Boys näher kennen. Emma spielte die Hauptrolle, Tallulah, eine verführerische kleine Herumtreiberin mit einer Federboa, während ich einen dämlichen Gangster mimte, der zwei Sätze sagte, bevor er mit einer Cremetorte umgebracht wurde. Ich stelle mir gerne vor, dass die Garbo, genau wie ich, für meine zwei Sätze gestorben wäre und dass mein shakespearescher Tod, der länger dauerte als die beiden Sätze, einen Golden Globe wert war.
Wenn ich sage, dass ich Emma durch die Musicalproben näher kennenlernte, meine ich eigentlich, dass ich sie dort überhaupt kennenlernte. Sie gehörte in der Highschool zu den Coolen und Beliebten, während ich eine Streberin war. Das Gesetz und das Protokoll des Schulhofs diktierten, Abstand zu ihr zu halten. Erst später, als wir uns an der Universität
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