Torschlussmami: Eine Frau auf der Suche nach dem großen Babyglück (German Edition)
Chris keine Gefühle, Leidenschaften oder Überzeugungen hat. Ganz im Gegenteil. Ich denke, die beste Beschreibung für Chris ist, dass er sich erwachsen verhält. Und er verhält sich genauso reif wie immer, als ich ihm meine Neuigkeiten mitteile.
»Kannst du eine unfruchtbare Frau lieben?«, frage ich.
Chris legt den Arm um meine Schultern und versichert mir, dass er mich immer lieben wird, was auch geschieht. Ich versuche, ihm zu glauben, aber die Vorstellung fällt mir schwer. Meine Komplexe liefern sich einen offenen Kampf mit meinem Selbstwertgefühl und liegen schon nach kurzer Zeit 1:0 in Führung. Ich bin überrascht, dass die Möglichkeit, unfruchtbar zu sein, mein Selbstvertrauen derart erschüttert.
Nachdem Chris mir geduldig ein paar Stunden lang zugehört hat, während ich mit dem Thema immer wieder von vorne anfing, eröffnet er mir, dass er es gerne mit einem Baby versuchen würde.
»Was? Einfach so?«, sage ich ungläubig. »Brauchst du nicht mehr Zeit, um darüber nachzudenken und die verschiedenen Optionen abzuwägen, bevor wir ausführlich darüber diskutieren?« Er schüttelt den Kopf. »Mag sein, dass du keine Zeit brauchst zum Überlegen, ich aber schon«, sage ich.
Ich kann seine Gewissheit nicht nachvollziehen, beneide ihn aber darum. Das ist die schwerwiegendste Entscheidung, die ich jemals habe treffen müssen – und wahrscheinlich die schwerste, die ich in meinem Leben treffen werde. Ich weiß nicht, wie ich eine derart wichtige Frage so schnell beantworten soll. Und meine Unentschlossenheit und meine Zweifel wachsen angesichts des näher rückenden Verfallsdatums meiner Eier.
Chris versichert mir, dass er mit meiner Entscheidung glücklich sein werde, wie auch immer sie ausfalle. Das Einzige, was er ablehnt, ist eine künstliche Befruchtung. Chris besteht darauf, das Kind auf natürlichem Weg zu zeugen, ohne Hilfe aus dem Labor. Daraufhin sage ich ihm, dass laut Dr. Lucy meine Chancen, auf natürliche Art schwanger zu werden, zwischen sehr schlecht bis null stünden. Aber Chris sieht das anders. Er sagt, wir würden nie erfahren, ob wir auf natürliche Art ein Kind zeugen könnten, wenn wir es nicht versuchten.
Einer der Hauptgründe für seine ablehnende Haltung gegenüber der künstlichen Befruchtung ist, dass er sich um meine Psyche sorgt. Ich hatte viele Jahre mit dem Schwarzen Hund meiner Depression zu kämpfen. Anfangs behielt der Schwarze Hund die Oberpfote. In meinen dunklen Jahren litt ich an Depressionsanfällen, die jegliche Freude, Hoffnung und Fröhlichkeit aus mir heraussaugten, auf ihnen herumtrampelten und anschließend in den Gully kickten. Und ich sah zu, wie sie dort unten verrotteten, während ich, ein gebrochenes, seelenloses Wrack, auf der Couch lag und Gin in mich hineinkippte.
Dank jahrelanger Therapie, guter Medikamente und der Vipassana-Meditation habe ich gelernt, den Schwarzen Hund zu bändigen, und obwohl ich ihn manchmal dabei ertappe, dass er im Hintergrund lauert, lasse ich es nicht mehr zu, dass er mich dominiert. Chris macht sich Sorgen, dass ich mit der emotionalen und finanziellen Belastung einer IVF überfordert sein könnte, ganz zu schweigen von all den künstlichen Hormonen, die, will man den ganzen Geschichten Glauben schenken, die gesündeste Frau in eine Geisteskranke verwandeln können. Chris sagt, eine künstliche Befruchtung sei eine Art Glücksspiel. Die Leute kämen immer wieder, weil sie sich an die Hoffnung klammerten, dass es dieses Mal anders sein werde, dass sie dieses Mal Glück hätten. Wahrscheinlich hat er recht: Manche Menschen sind die geborenen Pechvögel, und ihre Chancen, ein Kind zu zeugen, sind genauso hoch wie die, im Kasino den Jackpot zu knacken.
Chris hat es nicht gesagt, aber trotzdem frage ich mich, ob hinter seinen Vorbehalten gegen eine künstliche Befruchtung mehr steckt als nur die Sorge um mein Wohlergehen. Hat es vielleicht etwas mit seiner Religion zu tun? Chris ist katholisch, und obwohl er der liberalste und aufgeschlossenste Katholik ist, den ich kenne, kann er tief im Innern seine Erziehung sicher nicht verleugnen. Verdammte Katholiken, man kann nicht gewinnen gegen sie! Sie verbieten Verhütungsmittel, weil das Leben – und folglich auch das Sperma – heilig ist. Aber wenn man keine Kinder bekommen kann, drehen sie den Spieß um und verbieten jeden medizinischen Fortschritt, damit Gottes sogenannter Wille nicht angetastet wird. Ich meine, hätte Gott etwas gegen künstliche Befruchtung, gäbe es
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