Torso
antwortete nicht. Zieten schaute zu Marquardt. Der lächelte grundlos – für Zieten, der ihn in- und auswendig kannte, ein klares Zeichen dafür, dass er ziemlich verunsichert war. Aivars schwieg und schaute aus dem Fenster.
»Was für eine
verdammte
Sauerei habt ihr mir da eingebrockt!«, brach Zieten das Schweigen.
Weder Marquardt noch Sedlazek antwortete. Aivars Gesicht war wie versteinert.
»Es ist jetzt siebzehn Uhr«, fuhr Zieten fort. »Seit drei Stunden ist der Mann untergetaucht. Er hat Akten über Hilger gesammelt. Hilgers Schwester war in seiner Wohnung. Offenbar arbeiten die beiden zusammen. Was in drei Teufels Namen …«
»… das mag ja alles sein, Hajo«, warf Marquardt jetzt ein. «Aber sie haben nichts über uns. Vielleicht ein paar falsche Abrechnungen. Aber mehr nicht. Vielleicht ist er deshalb ausgetickt. Weil es nichts gibt. Wenn du mich fragst, dann ist dieser Zollanger ein frustrierter Bulle, der sich ein perverses Spielchen ausgedacht hat, um uns unter Druck zu setzen, um uns Angst zu machen. Ein Irrer. Er hat nichts. Höchstens Hass und Wut, dass er uns nichts kann.«
»Uwe, er hat meine
Tochter!
«
Einige Sekunden herrschte Schweigen.
»Ja«, meldete sich jetzt Sedlazek zu Wort. »Vielleicht. Aber bist du ganz sicher? Und falls es wirklich so ist: Glaubst du wirklich, dass er ihr etwas antut? Was hätte er denn davon? Ich glaube, Uwe hat recht: Er will uns Angst machen. Uns provozieren.«
Zieten ging nervös hin und her.
»Und das soll mich beruhigen? Dass du es nicht
glaubst?
Der Typ zerstückelt Frauen.«
Es wurde wieder still im Raum.
»Du hast doch herumtelefoniert«, setzte Zieten wieder an. »Weiß man etwas über diesen Mann?«
»Er ist ein alter Genosse«, sagte Sedlazek. »Jahrgang 1940. Dresden. Offiziersschule in Aschersleben. Dann Offizier der mittleren Laufbahn der Organe des Ministeriums des Innern. Bis zum Mauerfall operativer Diensthabender VPKA Schleiz im Rang eines Unterleutnants …«
»Verschone mich bitte mit diesem DDR -Kauderwelsch. Wie wird ein VOPO im Westen Hauptkommissar?«
»Keine Ahnung. Der Mann war wohl ein ganz guter Ermittler. Wahrscheinlich war seine Akte in Ordnung. Die haben uns ja nach dem Ende nicht alle auf den Müll geworfen.«
Die Bitterkeit war unüberhörbar.
»Für das, was du so getrieben hast, bist du noch ganz schön weich gefallen, findest du nicht, Günther?«, gab Zieten kalt zurück.
»Ich arbeite für Sieger«, erwiderte Sedlazek kühl, »genauso wie du, Hajo.«
»Können wir bitte bei der Sache bleiben«, bemerkte Marquardt.
Zieten verkniff sich eine weitere Replik. Das hatte man davon, wenn man sich mit solchen Leuten einließ, dachte er grimmig. Aber jetzt war nicht die Zeit, sich mit Marquardt und Sedlazek zu streiten. Es gab mit den beiden schon Probleme genug. Warum hatte er bloß nicht früher gesehen, was für Ganoven sie im Grunde waren. Diese Vollidioten hatten Hilger ermorden lassen, weil der das Treiben der BIG durchschaut hatte. Davon war er mittlerweile überzeugt. Wenn er nicht aufpasste, würde diese Sache auch noch an ihm kleben bleiben.
»Was wissen wir noch?«, fragte er und riss sich so gut es ging zusammen.
»Geschieden. Keine Kinder. Viel mehr konnte ich in der Eile nicht herausfinden. Es gibt nur einen Berührungspunkt zwischen uns und ihm.«
»Und der lautet?«
»Billroth.«
Zieten setzte sich und rieb sich die Schläfen.
»Wer ist Billroth?«
» LKA «, erklärte Marquardt, »Abteilung Wirtschaftskriminalität.«
Zieten drehte die Augen zum Himmel. »Das wird ja immer besser.«
»Billroth und Zollanger waren befreundet. Vielleicht hat Billroth ihm ein paar Dinge erzählt? Das ist die einzige Erklärung. Wie sonst sollte eine Bulle von der Mordkommission uns überhaupt ins Visier kriegen?«
»Wegen Hilger natürlich«, bemerkte Zieten trocken mit einem Seitenblick auf Aivars. Der hatte begonnen, interessiert zuzuhören. Zietens Bemerkung kommentierte er jedoch nicht.
»Das war Selbstmord, verdammt noch mal«, rief Sedlazek aufgebracht. »Die Mordkommission hat gar nicht zu Hilger ermittelt. Die haben sich nur mal die Akten angeschaut, weil die Familie Ermittlungen zu Fremdverschulden gefordert hat. Aber natürlich haben sie nichts gefunden. Die Staatsanwaltschaft hat alles eingestellt.«
»Außerdem gibt es zeitlich überhaupt keinen Zusammenhang«, ergänzte Marquardt. »Billroth ist letztes Jahr gestorben, irgendwann vor Weihnachten. Herzinfarkt. Wir haben erst im Januar
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