Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Torso

Torso

Titel: Torso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Fleischhauer
Vom Netzwerk:
Haarproben mitgenommen? Er war doch sonst nicht so eifrig. Ein Identitätsabgleich mit einer Leiche kam nicht in Frage. Seit Freitag war kein neuer Todesfall gemeldet worden. Wurde jemand vermisst? Auch das hätte er erfahren. Es sei denn, die vermisste Person war noch nicht als vermisst gemeldet worden. Warum wusste dann Frieser davon? War er selbst betroffen? Oder irgendein hohes Tier, das diskrete Ermittlungen wünschte?
    Zollanger spürte, wie ihm der Schweiß die Achselhöhlen hinunterlief. Die Dinge waren offenbar bereits gehörig in Bewegung geraten. Die Stadt reagierte.
    Er blickte auf und sah sein Gesicht im Spiegel. Ein altes, müde wirkendes Gesicht. Er trocknete sich ab und massierte seinen Nacken, der völlig verspannt war. Wenn er den Kopf drehte, hörte es sich an, als knirschten Sandkörnchen zwischen seinen Halswirbeln. Schmerzhaft war die Bewegung nicht, aber das Geräusch ließ ihn dennoch schaudern. Pfeifende Lungen und knirschende Halswirbel. Und dann sagte jemand seinen Namen.
    »Martin?«, Sina stand am Eingang und schaute ihn besorgt an. »Ist alles okay?«
    »Ja. Sicher.« Er lächelte sie an. »Warum?«
    Sie schaute ihn stumm an. Ein paar Sekunden lang sprach keiner ein Wort. »Gehst du mit zu Wiebke?«, fragte sie schließlich.
    Er schüttelte den Kopf.
    »Ich will erst kurz nach Hause. Ein frisches Hemd. Und rasieren wäre auch nicht schlecht.«
    Sie blieb noch einen Augenblick auf der Schwelle stehen. Dann machte sie wortlos kehrt und verließ den Raum. Er wartete, bis er sicher sein konnte, dass Sina verschwunden war. Dann holte er seine Dienstwaffe und ging zu seinem Wagen.

[home]
42
    E in leises Klappern weckte sie. Im ersten Augenblick hatte sie keine Ahnung, wo sie sich befand. Ihre Wange ruhte auf etwas Hartem. Sie hob den Kopf und blickte sich um. Der Mann stand keine vier Meter von ihr entfernt mit dem Rücken zu ihr. Es war dunkel. Er benutzte eine Taschenlampe, deren Lichtstrahl eine Stelle an der Tür ausleuchtete, an der er sich zu schaffen machte. Elin hielt den Atem an und ließ ihren Kopf ganz langsam wieder auf die Treppenstufe zurücksinken. Der Mann würde sie entdecken, sobald jemand das Treppenlicht anschaltete. Und warum hatte er das nicht getan? Taschenlampe, dachte sie. Es dauerte noch einige Augenblicke, bis ihr schläfriger Verstand den einzig logischen Schluss zog: dass gerade jemand versuchte, in die Wohnung dieses Bullen einzubrechen.
    Ein leises Klicken ertönte, und die Tür sprang auf. Ein Lichtstreifen erhellte für einen kurzen Augenblick das Gesicht des Mannes. Er sah völlig unscheinbar aus. Mittelgroß. Zwischen vierzig und fünfzig, schätzte Elin. Kurzes dunkles Haar. Keinerlei auffällige Gesichtsmerkmale. Noch ein Bulle? Der Mann schob sich vorsichtig durch den Spalt, und die Tür fiel wieder ins Schloss. Elin stand sofort auf und schlich eine Treppe abwärts. Sie lehnte sich gegen die Wand und atmete tief durch. Dann machte sie plötzlich kehrt und stieg wieder hinauf. Als sie an der Stelle angekommen war, wo sie eben noch gelegen hatte, blieb sie stehen und lauschte. Aus der Wohnung kamen Geräusche. Vorhänge wurden auf- oder zugezogen, Schubladen geöffnet. Eine Schranktür quietschte. Plötzlich wurde es still. Sie wartete angespannt. Minutenlang war gar nichts zu hören, dann Schritte. Die Tür öffnete sich. Elin zog den Kopf zurück. Der Aufzug setzte sich in Bewegung. Dann vernahm sie das Piepen von Handywahltasten.
    »Er ist es. Ganz sicher.«
    Elin hielt den Atem an.
    »Er hat Akten über Sie. Auch über Hilger und Billroth … Ja. Ich habe meine Kamera unten im Wagen. Ich melde mich.«
    Die Fahrstuhltür öffnete und schloss sich wieder. Elin wartete ein paar Augenblicke. Dann sprang sie mit drei Sätzen die Treppe hinauf. Die Tür war nur angelehnt. Wie viel Zeit hatte sie? Eine Minute. Zwei? Sie huschte in die Wohnung hinein. Wer war der Mann? Ihr Herz klopfte bis zum Hals. Hilger? Billroth?
    Sie lauschte in den Hausflur hinaus. Das Geräusch des Fahrstuhls würde sie warnen. Ein paar Minuten hatte sie. Ihr Blick irrte durch das Wohnzimmer. Nichts deutete darauf hin, dass es eben durchsucht worden war. Erst alle Zimmer, dachte sie. Wenn dann noch Zeit ist, vielleicht eine Schublade. Sie ging in die Küche, dann den Flur entlang in den hinteren Teil der kleinen Wohnung. Rechter Hand war das Schlafzimmer. Das Bett war nicht gemacht. Ein Kleiderberg lag auf einem Rattanstuhl. Hinter ihr war noch ein Zimmer. Erst lauschte sie. Kein

Weitere Kostenlose Bücher