Tortenschlacht
nachvollziehbaren Gründen sein Haus an, und verunglücke mit dem zum Zwecke des Legens falscher Spuren geklauten Wagen auf der Flucht im Bach.« Ich strecke meine Hände vor. »Einmal festnehmen, bitte.«
»Passt nicht«, meint Hünerbein und lehnt sich zurück, »den Cannabisbauern kennen wir bereits: Alexander Pawlak, genannt Sascha, einundzwanzig Jahre alt und gemeldet bei seinen Eltern in Mahlow bei Berlin. Aufenthaltsort unbekannt.« Hünerbein greift zum Shake, nuckelt am Strohhalm und setzt das Glas wieder ab. »Der Junge besitzt sogar ein Motorrad und hat die passende Schuhgröße – das hab ich mit Damaschke schon abgeklärt.«
»Dann haben wir ja einen richtig guten Verdächtigen«, finde ich, »ist die Fahnung schon raus?«
Hünerbein nickt. »Seit gestern Abend.«
»Vielleicht ist er mit Arndts Geldkoffer abgehauen und längst über alle Berge?«
»Hab ich mir auch schon gedacht«, nickt Hünerbein nachdenklich. »Aber warum steckt er vorher noch das Haus an? Um Spuren zu verwischen? Was für Spuren? Der Mord geschah doch, nach allem, was wir bisher wissen, in der Scheune.«
»Vielleicht hat er den Geldkoffer suchen müssen«, überlege ich. »Angenommen Arndt hatte ihn versteckt. Unter irgendwelchen Dielen, im Dachboden … So ein altes Bauernhaus hat doch überall Verstecke. Unser Täter durchwühlt also das ganze Haus, muss das Unterste nach oben kehren, um den Geldkoffer zu finden. Am Ende herrscht Chaos in der Bude. Nichts sieht mehr nach Selbstmord aus. Und überall kann er Spuren hinterlassen haben. Also fackelt er die Hütte einfach ab.«
»Hass wäre auch noch eine Möglichkeit«, gibt Hünerbein zu bedenken, »ohnmächtige Wut. Es haben sich nämlich Drohbriefe gegen Arndt angefunden, die aus einer ganz anderen Richtung kommen.«
»Nämlich?«
»Flughafengegner sahen sich von ihm getäuscht. Arndt war ihr Trumpf. Wenn er sich geweigert hätte, wären alle Ausbaupläne obsolet. Stattdessen verkauft er an Grundstücksspekulanten. Da kann durchaus jemand Rache geübt haben.«
»Ich weiß nicht«, zweifle ich. »Niemand weiß, ob es je zu diesem Flughafenausbau kommt.«
»Mag sein«, nickt Hünerbein, »aber es gibt erste Planungen, und wer früh dagegen demonstriert, wird auch früh gehört. Die Ostdeutschen haben ihr Regime wegdemonstriert, die glauben jetzt, dass man mit Protesten alles erreichen kann. Ich hab mit einem dieser Bürgerbewegten gesprochen, ein hartnäckiger Bursche.«
»Tatverdächtig?«
»Nur bedingt.« Hünerbein zückt seine Schachtel Roth-Händle. »Aber mir ist seine Frau aufgefallen. Die scheint was mit dem Arndt gehabt zu haben. Friedrichs will das mal diskret recherchieren.« Er starrt auf die Nichtraucherschilder an den Wänden. »Diese Amis haben sie nicht mehr alle! Nach dem Essen muss man doch rauchen, oder?«
»Gehen wir raus!« Ich erhebe mich. »Ich brauche auch Nikotin.«
Wir gehen vor die Tür, setzten uns an die Tische auf dem Trottoir und stecken uns unsere Zigaretten an.
»Ah, das ist schön!« Hünerbein streckt sich und setzt sich seine Sonnenbrille auf. »Nach dem langen Regen wie Urlaub!«
Auch ich ziehe meine Ray-Ban-Brille aus der Innentasche meiner Jacke und schiebe sie mir auf die Nase.
Wir rauchen und genießen. Es ist sehr mild, fast sommerlich warm.
Indian Summer in Zehlendorf:Die Bäume am Straßenrand schimmern in ihrem goldenen Laub, Offiziersfrauen bringen ihre im schönsten Californiaslang maulenden Kinder zur Schule, gegenüber macht der Zeitungsladen auf und präsentiert amerikanische Presse, vom Los Angeles Inquire bis zur Washington Post, vom Hollywood Reporter bis zum TIME MAGAZINE.
Ein Donutverkäufer wartet auf Kundschaft, aus einem Radio wünscht der Soldatensender AFN »Good Morning, Berlin«, und ein Pontiac Trans Am grummelt vorbei. Mehrere schwarze GI s hocken drin, aus den Boxen dröhnt Hip-Hop von Public Enemy. Wahrscheinlich haben sie die Nacht in Berlins Diskotheken durchgemacht.
Hünerbein hat völlig recht, ich werde die Amis vermissen. Kann mir die Stadt ohne sie gar nicht vorstellen. Die Amerikaner haben Westberlin geprägt wie kein anderer der Alliierten, mit ihnen kamen die Freiheit, der Witz und das Leben in die zerbombte Stadt zurück.
Yes, guys, I will miss you all.
»Hast du’s schon probiert?«, fragt Hünerbein unvermittelt.
»Was?«
»Das Zeug aus deinem Kofferraum.«
»Spinnst du?« Ich schüttele den Kopf.
»Könnte man doch ‘n bisschen was abzweigen«, Hünerbein sieht mich an, »ich
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