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Tortenschlacht

Tortenschlacht

Titel: Tortenschlacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G Wachlin
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gibt!« Er sah unschlüssig auf sein Formular. »Also kann man zusammenfassend sagen, dass auf dem Helmholtzplatz ein nicht gewerblich orientiertes Musikfestival stattfinden soll?«
    »Das haben Sie voll erfasst«, freute sich Polzin. »Bingo!«
    »Laute Musik«, erkundigte sich der Beamte skeptisch, »Rockmusik? – Remmidemmi?«
    »Hardcore eben«, seufzte Polzin.
    Der Beamte machte eine angespannte Miene. Plötzlich war ihm klar, dass seine Entscheidung eine gewisse Verantwortlichkeit nach sich ziehen könnte. Eine Verantwortlichkeit, die er keineswegs zu tragen gewillt war, da sich sowohl die gesellschaftlichen als auch die staatlichen Verhältnisse in der Stadt dramatisch änderten und er als Staatsdiener auch ins wiedervereinigte Deutschland übernommen werden wollte.
    »Wissen Sie was?« Der Beamte erhob sich. »Wir machen das anders.« Er zerriss sein Formular und holte ein anderes aus dem Aktenschrank. »Sie füllen am besten dieses Formblatt aus und geben darin an, welchem Zwecke die Veranstaltung dient, wie lange sie voraussichtlich dauert, wo, wann und wie die Veranstaltung ablaufen soll. Das reichen Sie dann bei oben angegebener Stelle ein, auf dass sie darüber entscheide.« Und schon war er sein Problem los.
    »Wie lange wird das dauern?«
    »Zwei, drei Wochen müssen Sie schon rechnen«, sagte der Beamte.
    »Aber das Hardcore-Festival soll schon in der Nacht vom Zweiten zum Dritten stattfinden!«
    »Am dritten Oktober?« Der Beamte guckte erschrocken. »Dem Tag der Deutschen Einheit?«
    Polzin grinste. »Punk statt deutsche Hymnen.«
    »Aber das wäre ja schon am Mittwoch beziehungsweise Donnerstag.« Der Beamte schüttelte den Kopf. »Ich fürchte … Nein, ganz im Ernst: So kurzfristig wird das nichts, der Antrag muss geprüft werden, und die Bearbeitungswege …«
    »Deshalb bin ich ja direkt zu Ihnen gekommen«, erwiderte Polzin, »damit Sie das gleich hier an Ort und Stelle entscheiden können.«
    »Ich?« Der Beamte lachte etwas hysterisch auf. »Wo denken Sie hin, Herr Polzin? Wir wissen doch alle noch gar nicht, wo die Reise langgehen soll. Ich meine, wenn’s eine kleine Kundgebung wär, die sich ihm Rahmen hält – aber ein Rockkonzert … Die ganze Nacht durch, sagten Sie?«
    »Keine Ahnung«, Polzin hob die Schultern, »so bis drei, vier etwa.«
    »Du lieber Herr Gesangsverein«, machte der Beamte und hob die Hände. »Sie sind mitten in einem Wohngebiet, da müssen Sie ohnehin um zweiundzwanzig Uhr Schluss machen.« Er sank erschöpft wieder hinter seinen Schreibtisch. »Wer ist denn da der Veranstalter?«
    »Ich«, sagt Polzin.
    »Was? Sie?« Der Beamte fing wieder an zu lachen. »Dachte ich’s mir doch. – Vorschlag: Warum machen Sie Ihre Party nicht irgendwo im Grünen, im Garten der Eltern vielleicht, da können Sie Krach machen, so laut und autonom Sie wollen.«
    »Hörnse mal!« Polzin fühlte sich nicht ernst genommen und beugte sich daher eindringlich vor. »Da findet keine private Geburtstagsfeier statt, sondern ein Hardcore-Festival. Da trifft sich die Punkkultur, da kommen jede Menge Menschen, da wird gerade ‘ne Bühne aufgebaut! Da treten dann die Bands auf, verstehnse: It’s a concert! Live! Mit Verstärkern, Bassboxen, elektrischen Gitarren. – Remmidemmi, wenn Sie so wollen …«
    »Eben nicht.« Der Beamte schüttelte den Kopf. »Ohne Genehmigung kein Krach.« Er schob Polzin das Antragsformular hin. »Füllen Sie’s aus, und reichen Sie’s ein. Ihr Fest müssen Sie allerdings verschieben. Mindestens um eine Woche, wenn wir einen Eilvermerk dazusetzen.« Der Beamte lächelte unverbindlich. »Versprechen kann ich allerdings nichts.«
    »Verstehe …« Polzin atmete hörbar aus. »Bis später dann«, setzte er hinzu und verließ den Raum.
    Das Antragsformular ließ er demonstrativ liegen. Er hatte es ja versucht. Wenn diese Typen hier nicht mal in der Lage waren, einfach »okay« zu sagen, war das ihr Problem. War’n halt Beamte. Schreibtischwichser.
    Egal. Es würde auch ohne ihre Genehmigung ein »Autonomes Hardcore-Festival« geben.
    24    »COUNTRY ROADS, take me home«, quäkt der alte John-Denver-Hit aus der betagten Musicbox, »to the place I belong«, und Hünerbein nickt summend mit dem Kopf im Takt, »West Virginia, mountain momma«, während er seinen dritten Big-Size-Chili-Burger vertilgt, »take me home, Country Roads …«
    Wir sitzen auf Büffellederhockern in einem lang gestreckten, holzvertäfelten Saloon an der Truman Plaza zwischen dem

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