Tortenschlacht
muffigen kleinen Keller verbracht, der, wie es schien, hunderte von Metern unter der Erde war. Kein Laut war hier zu hören, kein einziges Geräusch. Absolute Stille. Und es war kalt, er fror erbärmlich, denn noch immer war er splitternackt.
Hatten sie ihn hier lebendig begraben? Was geschah mit ihm?
Und dann fing er verzweifelt an zu weinen. Er bereute, dass er das Geld genommen hatte, er bereute den Unfall, seinen Charakter und sein ganzes Sein.
Nie wieder würde er sich was zuschulden kommen lassen, er schwor, seine Mutter nie mehr zu belügen und eine ganz seriöse Handwerkslehre zu machen, so wie es sein Vater immer verlangt hatte. Ja, er würde ein ganz zurückgezogenes, normal spießiges Leben führen, wenn man ihm nur noch mal die Chance dazu gäbe.
Alles war besser, als langsam in diesem Loch zu vermodern.
Aber es war niemand da, den er bitten konnte, niemand hörte ihn um Gnade flehen, weinen, schluchzen, betteln …
Er war mutterseelenallein. Völlig hilflos. Tief unter der Erde verschwunden und ohne jede Chance.
Denn kein Mensch da draußen interessierte sich für sein erbärmliches Schicksal.
26 »DIESE DINGE HIER«, der Brandermittler hat mehrere undefinierbare, rußgeschwärzte und geschmolzene Gegenstände auf dem Tisch vor sich, »fanden sich direkt am Brandherd und waren offenbar in einer flachen Kiste versteckt.« Er stellt eine flache Holzkiste dazu und schüttet aus einem Sack Späne hinein. »Unter einem Haufen Holz- oder Sägespreu …«
»Sieht aus wie ‘n Katzenklo.« Zwar mache ich mir nichts aus diesen Viechern, aber eine Freundin von mir – lang ist’s her – war ganz vernarrt in ihren fetten, verwöhnten Kater. Und der hatte auch so eine Kiste mit Sägespreu. Sie stand in der kleinen Kammer neben dem Bad, und das Katertier schiss durchaus verlässlich hinein. Zum Urinieren aber bevorzugte er andere Ecken. Vornehmlich hinter dem Sofa oder auf dem Bettvorleger. Die ganze Wohnung stank danach, weshalb ich mir damals schwor, auf Haustiere für den Rest meines Lebens zu verzichten.
»Wenn Sie wollen«, erwidert der Brandermittler, »können Sie das gern auch als Katzenklo oder sonst wie bezeichnen.« Er reicht die Kiste mit den Spänen einem Kollegen, der damit hinausgeht, und hält nun einen geschmolzenen Klumpen hoch. »Die Reste einer Flachbatterie«, er legt den Klumpen wieder weg und nimmt mit einer Pinzette vorsichtig ein winziges Stückchen schwarze Faser auf, »ein Drahtrest.« Auch der Draht wird wieder beiseitegelegt, denn nun widmet sich der Brandermittler einem Gegenstand, der mit viel Phantasie als Tischuhr durchgehen mag. »Ein mechanischer Glockenwecker aus Metall.«
Ah, jetzt erkenne ich es: zwei Schellen oben, dazwischen ein Teil, das beim Wecken dagegen schlägt – diese Dinger machen einen höllischen Lärm.
»Der diente als Zeitzünder«, erklärt der Brandermittler. Er öffnet seine Tasche und holt einen nagelneuen Glockenwecker hervor. »Wir haben uns für unsere Untersuchungen gleich mehrere davon besorgt, um die Sache besser rekonstruieren zu können: massives Metall, recht schwer, oben zwei Schellen, dazwischen der Schlagschwengel, der mit diesem kleinen Riegel hier fest zu stellen ist.« Er zeigt uns die Rückseite. »Das sind die Drehschrauben für die Federlaufwerke. Eines für die Uhr, eines für die Weckfunktion, sowie zwei Drehknöpfe zum Einstellen von Uhr- und Weckzeit. Eine Besonderheit ist der schmale Verstellschieber, mit dem die Laufgeschwindigkeit des Federwerks angepasst werden kann.
»Ich denke, wir kennen alle solche Wecker«, unterbreche ich den Brandermittler, »erklären Sie uns lieber, wie das Ding Ihrer Ansicht nach zum Zeitzünder umgebaut worden ist.«
»Ganz einfach. Die beiden Glocken werden voneinander und dem Gehäuse des Weckers isoliert und unter Spannung gesetzt. Schlägt der Klöppel dann zwischen beiden Schellen hin und her, entstehen Funken. Wie bei einem Feuerzeug.« Er deutet zum Fenster. »Wir haben draußen etwas vorbereitet. Kommen Sie!«
Wir gehen zum Fenster. Unten auf dem Hof steht das Katzenklo. Ein zweiter Ermittler präpariert soeben einen dieser Glockenwecker mit Isolierband und schließt ihn mit Kupferdrähten an eine handelsübliche Flachbatterie an. Dann zieht er den Wecker auf.
»Der Zünder wird für die Weckfunktion auf eine Minute nach Zeit gestellt.«
Der Brandermittler dreht einen kleinen Knopf auf der Rückseite des Weckers. Auf dem Zifferblatt rutscht der kleine Zeiger für die
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