Tortenschlacht
›Alabama‹?«
»Dem Westernschuppen in der Clayallee?«
»Richtig«, nicke ich, »da gibt’s das beste American Breakfast von ganz Berlin. Und es ist dort gar nicht so teuer.«
»Klingt gut«, findet Hünerbein, und seine Äuglein glänzen. Sicher stellt er sich Berge gebackener Bohnen mit Spiegeleiern und Speck vor, Unmengen zu vertilgender Muffins und Donuts, Burger, Wings und Fries. Dazu literweise Coke zum Nachspülen, Kaffee zum Wachwerden und süße Sahneshakes als Nervennahrung. Er wird nicht enttäuscht werden.
Ich öffne die Heckklappe meines Passat, um die Wolldecke hineinzulegen, und erstarre: Denn noch immer steht in meinem Kofferraum die Plastikkiste voller Dope: kiloweise eingeschweißte Pieces.
»Sa-hardsch …« Hünerbein macht große Augen und niest. »Siehst du, was ich sehe?«
»Ich kann’s dir erklären, Hünerbein«, versuche ich das Problem herunterzuspielen, doch so einfach macht es mir der Kollege nicht.
»Das sind mindestens drei Jahre Knast.«
»Anderthalb«, erwidere ich, »ich bin nicht vorbestraft, da wird der Richter gnädig sein. Im Übrigen habe ich das Zeug sozusagen beschlagnahmt.«
»Und hast du die Beschlagnahme«, Hünerbein grinst listig, »auch vorschriftsmäßig protokollieren lassen? Wurde die Annahme quittiert? Gibt es Belege und den Vermerk bei der entsprechenden Dienststelle?«
»Harry!« Ich schlage genervt die Heckklappe zu. »Was willst du?«
»Genau!« Der Kollege zielt mit seinem fetten Zeigefinger auf mich. »Du zahlst!«
23 NOCH STAND »Magistrat von Berlin, Hauptstadt der DDR « auf dem Hinweisschild am Eingang des Verwaltungsgebäudes auf dem ehemaligen GASAG -Gelände an der Prenzlauer Allee. Doch neben dem Pförtner in der muffigen Eingangshalle warteten schon die neuen Bezeichnungen. Bescheiden silbrig glänzende Metallplatten mit dem Berliner Bären drauf. Vorboten des Senats. Nur wenige Tage noch, dann würde aus dem »Rat des Stadtbezirks« das »Bezirksamt« von Berlin-Prenzlauer Berg.
Polzin musste sich hier nicht orientieren. Er kannte den Weg zur Abteilung Genehmigungen. Meist wurden sie ihm abgelehnt. Dennoch versuchte er es immer wieder, schließlich strebte die »Autonome Republik Helmholtzplatz« eine friedliche Kooperation mit den sich so rasant wandelnden staatlichen Behörden an. Diesmal ging es um das »Autonome Hardcore-Festival« auf dem Helmholtzplatz.
Der Beamte sah verdutzt auf. »Ein was?«
»Au-to-no-mes«, begann Polzin zu buchstabieren, wurde aber sofort unterbrochen.
»Ich weiß, wie man das schreibt, Herr …« Der Beamte sah auf den Personalausweis, den er vor sich liegen hatte. »… Polzin. Mich interessiert, was Sie unter autonom verstehen, denn dieses Adjektiv scheint ja wesentlich auf den Charakter der zu genehmigenden Veranstaltung hinzuweisen. Also: Was bitte bedeutet für Sie autonom?«
»Eigenständig«, antwortete Polzin, »in sich geschlossen, unabhängig.«
»Von wem?«
»Bitte?«
»Unabhängig von wem«, wollte der Beamte wissen und tackerte ungeduldig mit seinem Kugelschreiber, »beziehungsweise: Von wem ist dieses Festival nicht abhängig?«
»Vom Kommerz«, erwiderte Polzin, »da stecken keine fetten Labels dahinter, die nur Kohle machen wollen.«
»Mhm …«, machte der Beamte nachdenklich. »Wollen Sie damit sagen, dass Sie mit diesem Festival keine Gewinnabsichten hegen? Im profitablen Sinne?«
»Korrekt«, nickte Polzin.
»Dann ist das also keine gewerbliche Veranstaltung?«
»Richtig.«
»Gut, dann halte ich das so fest.« Der Beamte schrieb es in ein Formular. »Nichtgewerbliches Festival … Der Begriff ›autonom‹ ist zu negativ besetzt, wissen Sie? Damit würden Sie nicht durchkommen, wegen der Signalwirkung auf bestimmte gewaltbereite Gruppen aus dem Westen, die sich ja auch als autonom bezeichnen.« Er stockte, sah fragend auf. »Oder wollen Sie die etwa ansprechen?«
»Wir wollen eigentlich alle ansprechen«, sagte Polzin, »die sich für Punk und Hardcore interessieren.«
Der Beamte schien nicht ganz bei der Sache zu sein. »Hardcore«, wiederholte er und kaute nachdenklich auf seinem Kugelschreiber, »ach ja, was, bitte, ist Hardcore?«
»Eine schnellere Form des Punk«, antwortete Polzin.
»Ach!«
»Musik«, wurde Polzin deutlicher, »sie entstand aus dem Punk Ende der siebziger Jahre in den Großstädten Amerikas und Englands, wenn Sie so wollen.«
»Ich will nicht, Sie wollen«, stellte der Beamte klar und schüttelte ratlos den Kopf. »Was es so alles
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