Tortenschlacht
den Tisch, und wir sind die Verbrecher. Das kann mich die Karriere kosten! Verdammt, ich muss Hünerbein erreichen. Der soll mir den Rücken freihalten. Der muss ganz oben Alarm schlagen, bevor hier alles eskaliert.
»Ich würde jetzt wirklich gern telefonieren!«
»Gleich«, knurrt Friedrichs und knallt mir einen zusammengehefteten Text auf den Tisch. »Lesen Sie sich das erst mal durch!«
Ich starre auf das Papier. Mehrere Bögen, mit Kordel zusammengebunden und versiegelt.
»Was ist das?«, frage ich verblüfft.
»Ein Kaufvertrag«, erklärt mir Friedrichs, »verhandelt von einem Rechtsanwalt und Notar in Berlin-West.« Er tippt auf das Papier. »Heribert Naumann!«
»Ja, und?« Ich bin zwar erleichtert, da es offenkundig nicht um die Drogen aus dem Transit geht, verstehe aber kein Wort. »Was ist damit?«
»Jetzt reicht’s mir aber!« Friedrichs haut wütend auf den Tisch. »Sagen Sie bloß, Sie sind wirklich nicht im Bilde!«
»Absolut nicht«, versichere ich.
»Und was machen Sie dann hier? Ein Hauptkommissar der Westberliner Kripo?«
»Das haben wir Ihnen doch schon dreimal gesagt«, haucht Melanie. »Was ist denn los?«
»Sie ermitteln also nicht schon mal vor?« Friedrichs starrt mich an. »Ich meine, wir haben hier bald die Einheit, wozu die Heimlichkeiten?«
»Der Einzige, der hier in Rätseln spricht«, erwidere ich, »sind Sie. Vielleicht klären Sie mich mal auf?«
»Diesen Text haben wir im Wagen des Toten gefunden.« Friedrichs tippt auf den Kaufvertrag. »Kurz vor seinem vermeintlichen Selbstmord war er in der Stadt und hat den Verkauf seines Hofes hiermit besiegelt. Für achthunderttausend Deutsche Mark.« Er schiebt mir den Vertrag wieder zu. »Der ist heute zum reichen Mann geworden. Und bringt sich dann um?«
Ich sehe mir den Namen an. »Jan Fridolin Arndt?«
»Hängt in seiner Scheune«, nickt Friedrichs. »Das war kein Selbstmord. Und ich nehme an, genau deshalb sind Sie auch hierher gekommen!«
»Aber nein. Mir ging es nur um meine Tochter«, beteuere ich und sehe mir den Vertrag an. In der Tat bekommt die Sache eine neue Dimension. Vor allem wenn man sich die Namen der Käufer anschaut: Giuseppe und Francesco D’Annunzio. Die Söhne von Enzo, na bravo! Der alte Clan aus Kalabrien. Die verschwiegene Mafia-Loge der ‘Ndrangheta.
»Sie wollten telefonieren.« Friedrichs schiebt mir den Apparat hin.
»Ja«, sage ich, einigermaßen verdattert über diese plötzliche Wendung, und wähle Hünerbein an. Nachts sind die Leitungen frei, ich komme sofort durch.
»Harry, entschuldige die späte Störung, aber wir haben einen Mordfall.«
Hünerbein will verschlafen wissen, wo.
»In der Nähe von Schönefeld«, erkläre ich, und Friedrichs präzisiert: »Selchow.«
»Sind wir dafür zuständig?« Man hört, wie sich Hünerbein buchstäblich aus dem Bett wälzt.
»Es gibt eine Verbindung zur ‘Ndrangheta«, erkläre ich ihm, »unsere alten Freunde aus dem ›L’Emigrante‹. Damit sind wir wohl im Spiel.« Ich sehe Friedrichs an. »Was dagegen, wenn wir unsere Spurensicherung verständigen?«
»Absolut nicht«, Friedrichs lächelt, »ich wollte meinen Westberliner Kollegen schon immer mal beim Arbeiten zusehen.«
»Wir brauchen hier das volle Programm«, melde ich Hünerbein durchs Telefon, »Totengräber, Kriminaltechnik und so weiter.«
»Ich ruf Damaschke an«, sagt Hünerbein. »Wo müssen wir genau hin?«
»Erklären Sie’s ihm?« Ich reiche Friedrichs den Hörer und nicke Melanie erleichtert zu. Keine Gefahr mehr, wir sind draußen. Dafür habe ich Arbeit. So wie es aussieht, bereiten die D’Annunzios im Osten das Feld für neue Geschäfte vor.
Friedrichs legt den Hörer auf die Gabel. »Wenn das der Hünerbein war, den ich vermute, kenne ich ihn.«
»Es gibt nur den einen Hünerbein.« So viel ist klar.
»Tatsächlich?« Friedrichs lehnt an der Anrichte und tippt auf den Vertrag. »Und mit wem haben wir es hier zu tun?«
»Alte Bekannte aus San Luca«, ich will mir eine Zigarette anstecken, doch die sind feucht geworden, »der Clan ist seit fast hundert Jahren in Berlin aktiv. Offenbar erweitert er sein Territorium.«
»Nicht zu fassen.« Friedrichs bietet mir eine von seinen Zigaretten an. »Die Einheit ist noch nicht vollzogen, aber die Verbrecher sind schon da.«
»Es gibt hier jetzt eben was zu holen«, erwidere ich.
»Aber wieso interessiert sich die Mafia für einen Bauernhof im kleinen Selchow?«
»Keine Ahnung.« Ich nehme dankend sein Feuerzeug,
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