Tortenschlacht

sollte: »Es reicht, ihr habt genug gehetzt, jetzt wird die Deutsche Bank besetzt!« Oder so ähnlich. Und noch immer gingen Polzin die absurdesten Reime durch den Kopf: »Das Haus war ihm nicht lieb, nur teuer – jetzt fängt der Spekulant mal Feuer«.
    Am Ende hatten sie sich ganz pragmatisch auf »ANARCHIE STATT KAPITALISMUS« geeinigt und auf eine Demo durch die Stadt verzichtet. Stattdessen sollte es ein Protestcamp geben, eine Wagenburg direkt auf dem Helmholtzplatz, mit einer Bühne für Redner und cooler Mucke. Ein autonomes Hardcore-Festival am dritten Oktober. Schwarz-rot statt Schwarz-rot-gold. Punk statt deutsche Hymnen. Denn in einem hatte das KWV -Männchen recht. Die deutsche Einheit war nicht das Ende, im Gegenteil: Die Revolution ging in die nächste Phase.
    Plötzlich ein Geräusch, ein Knacken im Walkie-Talkie. Hastig hielt es sich Polzin ans Ohr.
    »Is was?«
    »Keene Ahnung«, hörte man Spinne heiser flüstern: »Hier schleicht, gloob ick, jemand durch die Büsche.«
    »Wo?«
    »Hinterhaus.«
    »Ich komme!« Polzin sprang zur Dachluke, sprintete das Treppenhaus hinunter und war in weniger als fünfzehn Sekunden im Hof.
    Spinne hatte hinter ein paar rostigen Mülltonnen Deckung bezogen und beobachtete angestrengt eine Gestalt, die sich lautlos an der Fassade vom Hinterhaus über eine brüchige Ziegelmauer gleiten ließ und langsam näher kam.
    »Sausack«, flüsterte er leise.
    »Psst!« Polzin hielt ihm den Mund zu, denn die Gestalt hatte offenbar etwas mitbekommen und verharrte.
    Ein Windzug strich über die schon herbstlich gelben Fliederbüsche im Hof. Irgendwo knarrte ein Fensterrahmen, Laub flatterte umher.
    Die Gestalt setzte sich vorsichtig wieder in Bewegung und verschwand im Schatten des Hauses. Kurz darauf hörte man es leise knacken.
    »Los!« Polzin sprang auf, Spinne wetzte hinterher. Wenig später hatten sie die Gestalt überwältigt. Ein Brecheisen schlidderte über den brüchigen Asphalt im Hof, man hörte ersticktes Wimmern. Polzin zog eine Taschenlampe hervor und leuchtete der Gestalt ins schreckverzerrte Gesicht.
    »Dark?« Polzins Gesicht entspannte sich, und er ließ den Jungen los: »Mann, Dark! Was kletterste hier denn so heimlich rum?«
    »Wat soll ick ‘n machen, wenn ihr hier allet verrammelt.« Er richtete sich auf und klopfte sich den Staub von den Sachen. »Wat is eigentlich los? Ick will nach Hause und find ‘ne Ruine, bullenmäßig abjesperrt.«
    »Brandstiftung«, setzte ihn Polzin ins Bild, »letzte Nacht. Die Polizei ermittelt.«
    »Shit!«
    »Mensch, die haben ‘n Toten jefunden«, setzte Spinne hinzu. »Wir dachten, det bist du!«
    »Bin ick aba nich.« Dark guckte unschuldig. »Siehste ja.«
    »Ein Glück, wa?« Spinne lächelte erleichtert. »Darauf ‘n Pivo.«
    »Und wat is jetzt mit meinen Sachen?«
    »Asche«, antwortete Polzin lakonisch. »Dafür ‘ne Leiche. In deiner Bude!«
    »Wat? Bei mir?« Dark riss erschrocken die Augen auf.
    Polzin sah ihn ernst an. »Vielleicht Melly?«
    »Nee, die war mit mir unterwegs.« Dark stützte sich an einer der Mülltonnen ab. »Wir hatten ‘n Gig mit der ANORAK ZONE . War ordentlich wat los. Und auf dem Rückweg sind wir von der Straße abjekommen. Scheiß Regen! Die Karre ist total Schrott, ey.«
    »Und wo ist Melly jetzt?«
    »Hat ihren Papi angerufen.« Dark winkte ab. »’n Bulle. Da musste ick natürlich weg.«
    Polzin sah Spinne nachdenklich an. »Dann kann’s nur Ernscht sein.«
    »Ernscht?« Dark verstand kein Wort.
    »Der Schwabe«, wurde Polzin deutlicher. »Ist der Einzige, der noch vermisst wird.«
    »Wat, der Kleene? Der ist doch höchstens fuffzehn.« Dark war fassungslos. »Scheiße. Wat macht der denn in meiner Bude?«
    »Keene Ahnung.« Spinne seufzte. »Tot rumliegen?«
    »War ja ‘n ziemliches Durcheinander.« Polzin hob die Schultern. »Vielleicht hat er den Ausgang gesucht und sich im Qualm verirrt.«
    »Der Ärmste.« Spinne schüttelte den Kopf. »Ick hab imma jesacht, Berlin is nüscht für den. Der hätte mal schön bei Mama im Schwabenländle bleiben solln.«
    »Das hätte uns hier alle erwischen können.« Polzin ballte die Fäuste. »Die wollen uns raus haben. Dafür gehen die über Leichen.«
    »Aber wer?« Dark verstand es nicht.
    »Wat weeß ick?« Spinnes Stimme überschlug sich. »Irgendwelche Immobilienheinis, Spekulantenfuzzis, Arschlöcher, Geldsäcke …«
    »Auf jeden Fall Mörder«, unterbrach Polzin Spinnes Wortfluss. »Eiskalte Killer.« Er nickte Dark zu. »Okay,