Tortenschlacht
von Graber weiter.
»Ach ja? Hat der Herr von Lahn da ‘ne Schippe geschwungen? – Wohl eher nicht.« Damaschke stockt und sieht mich an. »Sagtest du Reichstag?«
»Mhm«, nicke ich. »Dem deutschen Volke.«
»Ich dachte, der wär älter.«
»Wer? Von Lahn?«
»Nee.« Damaschke schüttelt den Kopf. »Der Reichstag. Hat der nicht mal gebrannt?«
»Auch das«, sage ich, »dreiunddreißig.«
»Siehste«, meint Damaschke, »und da stand er wohl auch schon ein paar Jährchen.«
»So vierzig Jahre ungefähr«, vermute ich.
»Dann ist das Ding gut hundert Jahre alt?« Damaschke tippt sich erneut gegen die Stirn. »Und Großkotz Werner von Lahn will ihn gebaut haben? Halten uns diese Politiker inzwischen für total bekloppt?«
»Willst du, dass ich dir all diese Fragen beantworte?«
»Nee«, erwidert Damaschke, »aber du willst, dass ich dir ein paar Fragen beantworte. Deshalb bist du ja wohl hier, oder?«
»Jürgen, das hast du vollkommen korrekt erfasst«, nicke ich und wende mich einer großen Pinnwand zu, an der gut drei Dutzend Fotoabzüge vom Leichenfundort kleben, dazu Aufnahmen diverser Reifenabdrücke und Bremsspuren …
»Stopp«, sage ich und tippe auf eines der Fotos. »Wo habt ihr denn die gefunden?«
»Zwischen Königsallee und AVUS «, antwortet Damaschke, »sie passen hervorragend zu den Reifenspuren am Leichenfundort.«
»Du meinst, der Unfall war auf dem Hüttenweg?«
Damaschke nickt. »Wenn’s ein Unfall war. Es gibt dort keine anderen Bremsspuren. Nur die eines einzelnen Fahrzeugs.« Er sieht auf. »Frage: Wenn’s keinen Unfallgegner gab, weshalb wurde dann so heftig gebremst?«
»Vielleicht ein Reh«, hoffe ich.
»Oder ein Wildschwein«, mutmaßt Damaschke.
»Habt ihr mal den Wagen vom Lahn gecheckt?«
»Das würden wir, wenn wir wüssten, wo er ist.«
»Er ist verschwunden?«
»Jedenfalls nicht da, wo er sein sollte«, erwidert Damaschke.
»Na, dann haben wir es doch.«
»Eben nicht.« Damaschke schüttelt den Kopf. »Lahn fährt eine S-Klasse. Die Spurweite unserer Abdrücke deutet aber auf etwas anderes hin.« Er zeigt mir Bilder von diversen Chevrolets und Cadillacs. »Wir suchen wahrscheinlich so einen amerikanischen Straßenkreuzer. Eventuell das Yellow Cab, das Zeugen angeblich in der Nacht am Reitclub Grunewald gesehen haben wollen.«
»Ein Yellow Cab? Das ist doch absurd.«
»Vielleicht ein Event-Taxi oder so.« Damaschke grinst schwach. »Die Zeugenaussagen sind recht widersprüchlich, die waren alle betrunken und hatten eine Party wegen eines Siegs bei irgendeinem Pferderennen oder Derby. Wir überprüfen das noch.«
»Gut«, nicke ich. Immerhin könnte das die Autonomen entlasten. Die haben ganz sicher kein Yellow Cab. »Sonst noch bahnbrechende Erkenntnisse?«
»Null«, macht Damaschke, »nur noch diese kleine Visitenkarte hier.« Er reicht sie mir. »Steckte in der Brusttasche des Opfers. Sonst hatte er nichts dabei. Keine Papiere, kein Geld.«
»Vielleicht wurde es ihm geklaut.« Ich sehe mir die leicht blutverschmierte Visitenkarte an und erstarre: DOMIZIL Immobiliengesellschaft mbH? Das gibt’s doch nicht! Dieselbe Karte, die Monika mir gegeben hat. Nur dass hier nicht ihr Name, sondern der von Siegbert Meyer aufgedruckt ist. Was, verdammt, hat Siggi mit diesem Politiker zu schaffen?
Damaschke sieht mich prüfend an. »Stimmt was nicht?«
Wenn ich das wüsste … Ratlos erwidere ich seinen Blick.
»Kann ich mal telefonieren?«
Damaschke macht eine Bewegung hin zum Apparat an der Wand. »Null vorwählen, wenn du raus willst.«
»Danke.« Seufzend nehme ich den Hörer von der Gabel und wähle die Nummer von Siggis Visitenkarte an.
Nach dem dritten Rufton meldet sich – so ist das im Zeitalter der Anrufbeantworter – eine Maschine mit Monikas Stimme und weist auf die Sprechzeiten der DOMIZIL -Immobiliengesellschaft von acht bis achtzehn Uhr hin. Gern aber könne man eine Nachricht hinterlassen und so weiter und so fort … Blablabla, wie Melanie sagen würde.
Ich tippe auf die Gabel, suche Monikas Visitenkarte. Aber da steht dieselbe Nummer wie auf der Karte von Siggi. Also rufe ich mal wieder meinen Code-A-Phone an, um mir noch einmal Monikas Nachricht anzuhören.
»Zettel«, zische ich zu Damaschke und suche in den Tiefen meiner Jacke nach einem Kugelschreiber – Fehlanzeige, »und Stift!«
»Sonst noch ‘n Wunsch?« Damaschke drückt mir beides in die Hand. »Vielleicht noch ‘ne Brille?« Er hält mir seine hin, aber an Sehschwäche
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