Tortenschlacht
leide ich (noch) nicht.
Ich nicke ihm dankend zu, spule den Anrufbeantworter per Fernabfrage vor und zurück, bis ich die Nummer vollständig notiert habe, lege auf und rufe endlich Monika an.
Die nimmt immerhin bereits nach dem dritten Klingeln ab. Ja, für unsere Brüder und Schwestern im Osten sind Telefone für jedermann eine wahre Attraktion. Die freuen sich noch, wenn mal jemand anruft, aber auch hier dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis sich diese schrecklichen Anrufbeantworter durchsetzen.
»Ich bin’s, Dieter«, melde ich mich, »du, wir müssen unbedingt reden. Es geht um Siggi.«
»Der ist hier«, freut sich Monika, »soll ich ihn dir geben?«
Ich fasse es nicht. Wohnt der jetzt bei ihr, oder was?
»Die hatten gestern Abend seinen Wagen abgeschleppt«, erklärt Monika, »weil er hier irgendwie falsch stand. Vermutlich irgend so ein neidischer Nachbar.«
Bingo, das hat geklappt. Wenn auch nicht ganz so, wie ich mir das vorgestellt hatte. Immerhin wurde das Auto schon gestern Abend abgeschleppt. Und fast vierundzwanzig Stunden später hockt Siggi immer noch bei Monika? Was treiben die nur? Ich will es mir lieber nicht vorstellen.
»Er fährt Jaguar«, setzt Monika mit stolzem Unterton hinzu. »Ein wahnsinnig elegantes Auto!«
Ja, das ist sicher eine ziemliche Umstellung, wenn man jahrzehntelang Trabi fahren musste.
»Können wir uns treffen?«, frage ich so gelassen wie möglich. »In einer halben Stunde?«
»Ich frag mal, ja?«
Herrgott, jetzt muss sie ihn schon um Erlaubnis fragen. Mir ist ganz schlecht vor Eifersucht. Ich kann es nicht glauben.
»Okay, Dieter«, Siggi ist plötzlich am Telefon, »wo wollen wir uns denn treffen?«
»›Kleisther‹«, sage ich.
»Was?«
Ja, ihr Neu-Schöneberger, denke ich gehässig, da blickt ihr nicht mehr durch. Es macht eben doch einen Unterschied, ob man geborener Kiezbewohner ist oder zugezogener Ossi.
»Am Kleistpark«, knurre ich, »Hauptstraße 5, schräg gegenüber von Bowies Bude.«
»Von wo?«
Hah, so ein Blödmann! »Schon mal was von David Bowie gehört?«
»Klar, Dieter, das war doch der mit den ›Heroes‹.«
»Genau«, nicke ich, »und die sind genau da entstanden. Gegenüber vom ›Kleisther‹. Die WG hat er sich mit Iggy Pop geteilt. Allerdings zu Zeiten, als ihr noch hübsch hinter der Mauer bleiben musstet.« Damals wurde in Schöneberg Musikgeschichte geschrieben. Aber die Zeiten sind wohl vorbei, jetzt läuft die radikale Verrostung. »In einer halben Stunde, okay?«
»Okay«, macht Dieter, »bis gleich.«
Ich lege auf und sehe Damaschke an.
»Kann das Unfallauto auch ein Jaguar gewesen sein?«
»Ich sagte doch: höchstwahrscheinlich ein Amischlitten.«
»Ein Jaguar ist ja auch recht groß!«
»Aber nicht so groß«, widerspricht Damaschke, »aber ich kann’s trotzdem noch mal nachprüfen. Wie kommst du denn auf Jaguar?«
»Nur so ‘ne Vermutung«, winke ich ab und gehe.
32 DAS »KLEISTHER« ist ein großes, modern eingerichtetes Café im Bistrostil mit großen Fenstern zur Schöneberger Hauptstraße hin. Man kann hier rund um die Uhr vorzüglich frühstücken, und tatsächlich findet man hier zu jeder Tages- und Nachtzeit Leute, die nichts anderes tun, als französische Buttercroissants mit Konfitüre oder ein English Breakfast mit Bohnen und Speck in sich hineinzustopfen.
Ich bevorzuge meist das Norwegische Lachsfrühstück oder die Deutsche Schinkenplatte, doch momentan habe ich statt Appetit Siggi und Monika vor mir sitzen. Er bestellt ihr mit nonchalanter Geste ein »Hors d’œuvre«, woraufhin ihn die studentische Servierkraft recht ratlos anschaut und schließlich »Wäre Ihnen auch ein Veuve Clicquot recht?« fragt.
»Ein Mineralwasser reicht«, lächelt Siggi nachsichtig, »und was das Hors d’œuvre angeht, reicht ein kleiner Salat.« Er wendet sich Monika zu. »Das ist dir doch recht, Schatz?« Er lächelt mich aufmunternd an. »Dieter, was möchtest du? Ich lad dich ein.«
»Danke«, erwidere ich giftig, »ich pflege meine Rechnungen selbst zu zahlen.« Dann bestelle ich mir ein Bier, denn nüchtern ist das nicht mehr auszuhalten.
»Vermutlich willst du noch mal über gestern reden?«
»Nein«, rufe ich etwas zu laut aus, »wie kommst du denn darauf?«
»Nur so.« Siggi sieht mich bedauernd an. »Du bist ja ziemlich wütend abgerauscht.«
»Ich war nur müde.«
»Ich hatte übrigens auch Pech.« Siggi grinst. »Als ich gehen wollte, war mein Auto weg. Abgeschleppt.«
»So was
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