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Tot ist nur, wer vergessen ist (German Edition)

Tot ist nur, wer vergessen ist (German Edition)

Titel: Tot ist nur, wer vergessen ist (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Lyons
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wieder vor sich, wie er ihr im letzten Moment das Gesicht zugewandt hatte. Er hatte friedlich ausgesehen. Zum ersten Mal, seit sie ihn getroffen hatte.
    Sie umrundete den obersten Treppenabsatz und nahm so leise wie möglich die letzten Stufen. Ein Mädchen kauerte in der Ecke auf dem Boden. Sie war an Händen und Füßen mit Klebeband gefesselt, und in ihrem Mund steckte ein Knebel. Sie schaute zu Caitlyn auf und drückte sich weiter nach hinten gegen die grob behauene Wand, als wollte sie sie durchbrechen.
    Caitlyn schüttelte den Kopf und hob einen Finger an die Lippen. Das Mädchen nickte und deutete mit dem Kopf auf die Aussichtsplattform unter dem überdachten Teil des Turmes. Caitlyn lief gebückt dorthin, immer unterhalb der Fenster, und arbeitete sich so bis zur Tür auf der anderen Seite vor. Sie stand offen. Dahinter hatte ein Mann den Tisch und einen Stuhl so platziert, dass er sein Präzisionsgewehr, Beobachtungsfernrohr und Funkgerät griffbereit hatte. Gerade spähte er durch das Fernrohr über den Rand des Geländers in Richtung Polizeiwache.
    »Countdown auslösen«, Korsakovs Stimme drang aus dem Funkgerät.
    Caitlyn war zu weit weg, als dass sie den Mann hätte aufhalten können. Er wechselte auf einen anderen Sendekanal und drückte einen Knopf. Dadurch gewann sie einen kostbaren Moment, in dem er ihr den Rücken zuwandte. Lange genug, dass sie aufstehen, nach vorne stürzen und ihm heftig mit dem Brecheisen auf den Kopf schlagen konnte.
    Mit einem dumpfen Knall traf das Eisen seinen Schädel. Volltreffer. Zu ihrer Überraschung setzte ihn das jedoch keineswegs außer Gefecht. Stattdessen sprang er auf, fuhr herum und fegte den Stuhl beiseite. Links trug er eine Pistole in einem Schulterholster, zog sie aber nicht. Sie konnte ihm am Gesicht ablesen, dass er eine Frau mit einem Brecheisen für keine ernst zu nehmende Bedrohung hielt.
    Das blieb abzuwarten. Caitlyn holte erneut aus, zielte dieses Mal auf sein Knie. Sie spürte den Knochen brechen; er taumelte, knallte gegen das Geländer, schaffte es aber noch im Fall, sie zu packen, sodass sie unter ihm eingequetscht wurde. Ein stechender Schmerz fuhr ihr ins Fußgelenk. Sie schrie laut auf.
    Er war so ungünstig gefallen, dass er beinahe durch die Reling hindurch nach unten gestürzt wäre. Jetzt holte er aus und hätte ihr um ein Haar die Zähne ausgeschlagen. Doch wieder vergaß er seine Deckung, also gelang es ihr, ihm die Waffe zu entwenden.
    Caitlyn schoss aus nächster Nähe, das Geräusch war ohrenbetäubend. Er hob den Arm, um sie über das Geländer zu stoßen. Sie feuerte noch einmal, noch einmal, traf ihn jedes Mal zielsicher in den Oberkörper. Er schwankte, stand zwischen ihr und dem Rand der Plattform.
    Sie schoss immer weiter, bis er rückwärts über das Geländer stürzte.
    Ein helles Licht wie von tausend gleichzeitig explodierenden Feuerwerkskörpern erfüllte mit einem Mal den Himmel. Ein heftiger Windstoß fuhr heran, gefolgt von einem gespenstischen Heulen wie von einer Todesfee. Der Turm schwankte heftig. Caitlyn krallte sich am Geländer fest, während die Nacht im Feuer loderte.

56
    Als die Explosion ganz in der Nähe ein Gebäude erschütterte, verfielen JD s Dad und der Colonel in stille Panik. Sie brauchten ganze zwanzig Minuten, um den Waffenschrank aufzubrechen, doch er war leer.
    »Was ist da wohl hochgegangen?«, fragte JD , der es kaum aushielt, dass er nicht hier rauskam, um Julia zu helfen. War sie in der Nähe der Explosion gewesen? Vielleicht hatte sie den Terroristen als menschlicher Zünder gedient, wie in einem dieser Filme.
    »Der Staudamm jedenfalls nicht, das würden wir hören und merken«, sagte JD s Dad.
    »Wahrscheinlich der Funkmast oder aber die Straße, die aus dem Ort führt«, sagte der Colonel. »Das sind die Schwachpunkte unserer Verteidigung.«
    Die Frau des Colonels schlug mit einem Polizeiknüppel auf das Fenster der Innentür ein, was aber zu nichts weiter führte als ohrenbetäubendem Krach, so als ob sie allesamt in einer riesigen Trommel gefangen wären.
    »Ist wohl kugelsicher«, sagte der Colonel. Doch das hielt ihn und JD s Vater nicht davon ab, einen Stuhl zu zerschlagen und ebenfalls mit den Füßen auf das Fenster einzuhämmern.
    JD wich zurück. Nur neben dem Schreibtisch blieb ein wenig Platz für ihn.
    Er schaute auf die Bombe hinunter, die in der Schublade lag. Ein kompliziertes Nest aus Kabeln und Einzelteilen, das aussah wie das Innere einer Videospielkonsole. Plötzlich

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