Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)
einen Zettel ausfüllen mussten. Ein ganz normaler Check-in also. Das Problem war nur, dass es keine Zimmer mehr gab.
Ausgerechnet in dieser Nacht hatte Sara das verdammte Pech, den Gästen klarmachen zu müssen, dass das Hotel leider voll war und dass sie trotz Reservierung kein Zimmer mehr bekommen konnten, was ihr natürlich sehr leid täte. Alle Hotels überbuchen, weil man immer davon ausgeht, dass irgendjemand kurzfristig absagt. Aber diesmal war keine Absage gekommen. Stattdessen bot Sara den beiden ein Zimmer in einem nur einen knappen Kilometer entfernten Hotel an, und selbstverständlich würde sie auch ein Taxi rufen, das die beiden dorthin bringen würde. Das Hotel sei außerdem ein Vier-Sterne-Haus, also noch besser als das Central, und kosten würde das auch nichts extra. Normalerweise funktioniert der Trick mit dem Upgrade. Diesmal leider nicht.
Sara kam nicht dazu, das Taxi zu rufen, denn der Mann war schon knallrot angelaufen und begann jetzt zu schreien. Die Frau hielt sich am Tresen fest wie eine Ertrinkende und schnappte nach Luft. Sara brach der Schweiß aus, und als sei sie nicht schon da, wo sie stand, drückte der Mann nun wie verrückt auf die kleine Klingel auf dem Tresen. Das Gepingel war unerträglich.
»Warum kommt denn hier keiner?«, schrie der Mann.
»Wer soll denn kommen?«, fragte Sara, obgleich sie ahnte, dass er den Chef sehen wollte. Einen richtigen,
männlichen Chef, nicht sie, die so wenig cheffig aussah. Dass sie hier mutterseelenallein war, konnten die beiden ja nicht wissen.
»Ihren Chef! Sofort! Ich will Ihren Chef!« Die Frau nickte dazu wie ein Huhn auf Körnersuche. Der Chef. Jetzt.
In ihrer Not rief Sara Herrn Köster an, dessen Handynummer für alle Fälle hinterm Tresen klebte. Sie fürchtete, er würde gar nicht drangehen, und als er dann doch abhob, war sie sogar erst mal erleichtert. Aber Herr Köster konnte schon seinen Namen nicht mehr fehlerfrei aussprechen. Unmöglich, den Hörer weiterzugeben in die starr ausgestreckte Hand des Gastes, der jetzt am ganzen Körper zitterte wie unter Strom. Die Frau starrte auf ihre Uhr.
»Wenn hier nicht gleich etwas passiert, rufe ich die Polizei!«, brüllte der Mann weiter. Ankündigung und Tat lagen in diesem Fall keine dreißig Sekunden auseinander.
Silvester 2001 verbrachte Sara mit Herrn und Frau U. aus Stuttgart-Vaihingen schweigend in der Hotellobby. Die Polizei kam kurz vor eins und brachte das Ehepaar mit dem Streifenwagen in sein neues Hotel. Das Taxi hatte sich das Central also gespart.
Ich arbeitete damals im Housekeeping und hatte in dieser Zeit eigentlich gar nicht viel mit Köster zu tun, sah ihn manchmal nur einmal am Tag und war damit auch ganz zufrieden.
Damit die Person am Empfang weiß, in welches Zimmer sie einen ankommenden Gast schicken kann, muss sie natürlich informiert werden, ob das Zimmer schon geputzt
und bezugsfertig ist. Dies dem Empfang zu melden, war eigentlich ein völlig banaler Vorgang: Ich drückte auf dem Telefon, das ich immer bei mir trug, die richtigen Tasten und die Rezeption sah auf ihrem Computerbildschirm, welche Zimmer fertig waren.
Und weil das so banal war, hatte ich es an diesem Tag auch glatt vergessen. Skifahrer verletzten sich ja auch immer dann, wenn sie denken, ein Abhang sei besonders einfach zu fahren. Die Zimmer waren geputzt und fast alle auch gecheckt, es war kurz vor zwei, aber keines von ihnen wurde unten angezeigt. Zu meinem Pech stand am Empfang an diesem Tag Herr Köster höchstpersönlich und hatte ausnahmsweise das Bedürfnis, sich einmal selbst um seine Gäste zu kümmern.
Er musste schon seine liebe Not damit gehabt haben, den Frühanreisenden zu erklären, dass noch keine Zimmer frei sind. Und natürlich hätte Köster schon viel eher nach Zimmern fragen können, jeder andere hätte das getan, er aber meldete sich erst, als kurz vor zwei zwanzig Japaner an der Rezeption erschienen und nach ihren Zimmern verlangten.
Das genügte, um Kösters Gehirn vom bekannten Stand-by-Modus in den Stress-Modus zu versetzen, eine Veränderung, die ihm nicht guttat. Stress mochte er nicht und Stress konnte er nicht.
»Du kommst jetzt sofort hierher!«, er hätte das Telefon gar nicht gebraucht – ich hätte ihn sicher ohne Mühe auch durch die Etagen hören können, so laut hat er gebrüllt. Ich stand gerade in einem Zimmer im dritten Stock, hatte meine Runde fast beendet und war froh, dass ich das
Taschentuch hinter der Gardine, das Mehmet übersehen hatten,
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