Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)
in der Zeitung gelesen hatte. Damit
der Mensch etwas als besonders gut und luxuriös empfindet, muss es doppelt so teuer sein wie das, was er normalerweise konsumiert, zum Beispiel ein Abendessen im Restaurant. Gibt er normalerweise, so wie ich, nicht mehr als fünfzehn Euro dafür aus, sagt er sich bei einem Essen für dreißig Euro: Das war heute aber was ganz Besonderes. Wenn er reicher wird und sich regelmäßig das Dreißig-Euro-Essen leisten kann, gewöhnt er sich daran und denkt erst bei einem Sechzig-Euro-Essen wieder: Das war aber heute etwas ganz Besonderes. In drei weiteren Schritten ist man bei einem Vierhundertachtzig-Euro-Essen angekommen und man kann um die halbe Welt fliegen, es gibt kein besseres Essen mehr. Das muss, dachte ich mir, ein trauriger Augenblick sein.
Am Ende stopfte ich die leeren Einkaufstaschen in den Müll oder überließ sie den Zimmermädchen, die sie gerne mit nach Hause nahmen – und beim Verlassen des Hotels, mit einem Gucci-Tütchen am Handgelenk, nicht von unseren Gästen zu unterscheiden waren.
Manchmal erwischte ich die Zimmermädchen bei einer Art von Diebstahl, den man geradezu riechen konnte. Natürlich durften wir die Sachen der Gäste nicht weiter anfassen – besonders bei Schmuck oder Geräten wie Laptop und Fotoapparat hieß es vorsichtig sein, nicht dass am Ende noch eine von uns dafür verantwortlich gemacht wurde, wenn irgendwo eine Linse kaputt war oder der Laptop zu viel Sonne abbekommen hatte.
Es kam aber vor, dass die Mädchen manchmal ganz besonders gut dufteten. Dann hatten sie sich einen Spritzer Parfum aus dem Vorrat der Gäste gegönnt. Ich weiß
schon: Wenn das alle machen würden! Ja, wenn das alle machen würden, wären die Fläschchen nach ein paar Hotelbesuchen leer. Moralisch war das also nicht in Ordnung. Aber ich konnte verstehen, dass die Zimmermädchen etwas vom Parfum abhaben wollten.
Es war dann immer schön zu sehen, wenn sie, plötzlich nach Chanel N° 5 riechend, ausnahmsweise pfeifend die Betten machten.
Der Saubermann
Laura hieß das Zimmermädchen, das von allen am erfolgreichsten darin war, mir das Leben schwer zu machen. Als eine der wenigen war sie fest im Hotel angestellt, und weil sie fest angestellt war, wusste sie, dass ich mich nicht ernsthaft über sie beschweren konnte, wenn sie schlecht putzte. Also putzte sie schlecht, so schlecht, dass ich alle ihre Zimmer noch einmal nachputzen musste. Wobei das die Sache nicht trifft: Nachputzen hätte ja bedeutet, dass sie vorher schon mal geputzt haben musste. Aber das tat sie nicht. Sie überließ mir nicht das Nachputzen, sondern in weiten Teilen das Hauptputzen. Kurz: Laura war eine Katastrophe.
Als ich sie darauf ansprach, sagte sie, es sei doch alles fein gewesen und drückte sich an mir vorbei. Die nächsten Male, als ich sie sah, grinste sie mich nur an. Sagte ich bereits, dass es eine Katastrophe mit ihr war?
Ich sprach mit Frau Gabriel über Laura. Sie sagte, sie könne ihr auch keine Vorschriften machen. Sie riet mir davon ab, damit zu Frau Schmalberg zu gehen: »Geh nicht zum Fürsten, wenn du nicht gerufen wirst«, sagte sie, und ich hielt mich daran.
Die einzelnen Abteilungen eines Hotels, der Service,
die Küche, der Empfang, das Housekeeping, sie gehen alle wenig pfleglich miteinander um. Der Tonfall untereinander ist rau, ständig wird gemotzt und gebrüllt. Wir Externen bildeten in diesem Spiel den kleinsten gemeinsamen Nenner: Wir gingen wirklich gar nicht, und zwar für alle gleich gar nicht, und wenn irgendwo ein Problem auftrat, das nur entfernt mit den Zimmern zu tun hatte, war klar, dass das externe Housekeeping mal wieder versagt hatte.
Roland Elbracht, so hieß der Gegelte, der mir am ersten Tag aufgelauert hatte, ging ein besonders schlimmer Ruf voraus. Er war eigentlich nur ein Kollege von Frau Schmalberg, aber vielleicht weil er ein Mann war, glaubte er, sich immer auch ein bisschen wie ihr Chef verhalten zu müssen. Keinesfalls wäre es eine gute Idee gewesen, Lauras Zimmer dem Gast zu überlassen, ohne nachzuputzen. Ich wusste ja, dass Elbracht sie kontrollieren würde. Er hatte sich angewöhnt, meine Zimmer besonders häufig zu kontrollieren. Warum? Vielleicht fand er mich nicht unterwürfig genug, vielleicht wollte er mir auch nur beweisen, dass eine Drei-Sterne-Frau tatsächlich nichts kann.
Wenn er nach einem Fehler suchte, fand er auch einen, auch dann, wenn es gar keinen Fehler gab. Notfalls sorgte er selbst für einen. Ich konnte ihm
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