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Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)

Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)

Titel: Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna K.
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seine Gelfrisur gedrückt.
    »Es tut mir leid«, sagte ich.
    »Ich merke alles«, rief mir Elbracht noch hinterher, als ich zu meiner Kofferbank zurückkehrte.
    Vielleicht, dachte ich, ist das ja so ein Ritual, das alle Neuen über sich ergehen lassen müssen. Einmal das Haar des Elbracht entsorgen, bitte. Aber als ich Nadine danach fragte, konnte sie sich an keinen vergleichbaren Fall erinnern. Außerdem sprach gegen die These vom Begrüßungsritual, dass Elbracht das Schauspiel noch ein paar Mal mit mir wiederholte. Da schrie er zwar nicht mehr
ganz so lange herum, aber dafür drohte er beim zweiten Mal, mich beim nächsten Mal einfach rauszuwerfen. Und als er mich beim nächsten Mal rufen ließ, diesmal lag das Haar originellerweise in der Badewanne, schrie er, dass es nur seiner Großmut zu verdanken sei, dass er mir noch eine Chance gebe, eine allerletzte wohlgemerkt.
    Aus irgendeinem Grund hat im Hotel eine Obrigkeitshörigkeit überlebt, wie sie in den meisten zivilen Berufen seit mehreren Generationen ausgestorben ist. Dass es im OP-Saal hierarchisch zugeht, kann ich ja verstehen. Es können nicht alle operieren und von der schnellen Entscheidung eines Arztes kann ein Menschenleben abhängen. Beim Militär mag das genauso sein. Aber im Hotel? Hier stirbt niemand, jedenfalls kommt es nicht allzu oft vor. Hier haben die starren Hierarchien überdauert, konserviert seit der Belle Époque, der Blütezeit der Grandhotels, ganz so, als hätte es die Frauenbewegung und die Einführung gewisser Arbeitnehmerrechte nie gegeben. In manchen klassischen Hotels sieht es ja auch noch aus wie 1914. Den meisten Vorgesetzten gefiel der hierarchische Stil. Vielleicht sind sie deshalb überhaupt erst ins Hotel gegangen, so wie manche, die auf das Oben und Unten stehen, beim Militär landen. Manchen Gästen gefällt es sicher auch. Sie lieben es, dass es dieses Oben und Unten gibt. Weil sie ja oben sind.
    Ein paar Abende nach dem letzten Haarfund saßen Nadine und ich nach der Schicht noch kurz in unserer Abstellkammer zusammen. Nadine pellte eine Apfelsine und erzählte von einer Freundin. Die arbeitete in einem Vier-Sterne-Haus, das nebenbei auch regelmäßig
das Catering für Großveranstaltungen ausrichtete. »Sie musste an Silvester die Platten fürs Buffet mit ihrem Wagen durch die ganze Stadt fahren, weil der Chef keinen Führerschein mehr hatte und der Koch schon ordentlich betrunken war. Mit einem Kleinwagen voller Lachs und Gemüsedips quer durch die Stadt! Sie ist acht Mal hin-und hergefahren, bis das Zeug alles drüben war – und die haben ihr Essen natürlich viel zu spät bekommen. Sie hat nicht mal Benzingeld gekriegt.« Sie tippte sich an die Stirn.
    Ich war froh, dass ich Nadine hatte. So resolut sie ihre Arbeit erledigte, so entschieden riet sie mir, mich von Elbracht nur ja nicht unterkriegen zu lassen. Sie tippte sich schon wieder an die Stirn, wobei ich mich mal wieder fragte, wie man mit so langen Fingernägeln überhaupt arbeiten konnte.
    Es war schon fast zehn Uhr abends, höchste Zeit also, endlich zu gehen, aber wie so oft fehlte uns schlicht die Kraft, beschwingt nach Hause zu laufen, um noch etwas zu unternehmen.
    Weil der Raum so klein war, dass nicht mal ein Mülleimer hineinpasste, brachte Nadine den Müll in die Wäschekammer nebenan. Plötzlich wurde es dort laut. Ich hörte Nadine schimpfen, das Berlinerische war nun nicht mehr zu überhören, und eine hohe männliche Stimme quiekte etwas zurück. Ich sah nach und entdeckte Nadine in der hinteren Ecke des Wäscheraums, wo sie sich breitbeinig vor einem Auszubildenden aufgebaut hatte.
    »Guck dir den kleinen Scheißer an«, rief sie aufgeregt und stemmte beide Arme in die Hüften. Der Azubi war
höchstens neunzehn, erschreckend dünn und hohlwangig. »Ey, jetzt reg dich nicht so auf«, er hatte eine Stimme wie ein Mädchen. »Der hat uns belauscht!«
    Der Dünne schüttelte den Kopf. »Schwachsinn. Ich hab was gesucht.«
    Nadine schnaubte. Sie hatte ihn beim Müllwegwerfen entdeckt. Er stand hinten in der Ecke und presste sein Ohr an die Lüftung, die den Wäscheraum mit unserer Kammer verband. Im Dunkeln. Er trollte sich schließlich und zeigte sich von unserer Wut nicht sonderlich beeindruckt.
    Wir waren uns sicher, dass es Elbracht war, der ihn zu uns geschickt hatte. Was erwartete Elbracht, bei uns zu hören? Lästereien über sich selbst? Damit hätten wir in der Tat Abende füllen können, aber weil es so offensichtlich war, dass der Mann

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