Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)
Tagesdecke wieder drauf. Und dann war grundsätzlich rechts ein Buckel aufgetaucht – das Spielchen wiederholte sich vier oder fünf Mal.
Aber einfach nichts tun, eine Beule übersehen, einen eingedrückten Kissenzipfel nicht hochziehen? Das ging natürlich nicht. Ich fing an, jede schiefe Tagesdecke, jedes falsch gefaltete Handtuch persönlich zu nehmen – was sicher absolut im Sinne meiner Chefs gewesen ist. Der Job forderte, dass man penibel wird, und wenn man nicht irgendwann penibel ist, ergibt der Job keinen Sinn.
War der Kampf mit der Tagesdecke gewonnen, meistens der letzte Kampf in einem Zimmer, war das auch: ein Triumph.
Im Central brauchte ich für einen Zimmer-Check oft nur zehn Minuten, hier dauerte er nicht selten eine halbe Stunde. Wenn das Zimmer für einen VIP gebucht war, einen Geschäftsmann von großer Wichtigkeit, eine Schauspielerin oder einen Fernsehmoderator, verbrachte ich manchmal sogar eine Stunde auf allen vieren, um auch das letzte Staubkorn noch zu erwischen. Ich wusste ja, dass die VIP-Zimmer noch einmal nachkontrolliert wurden. Nachkontrolliert von Frau Schmalberg oder dem Gegelten, der mir mit meiner dreisternigen Ausbildung ohnehin nichts zutraute. Da wollte ich mir keinen Fehler erlauben. Am Ende sah tatsächlich immer alles perfekt aus.
Wobei diese Perfektion durchaus relativ war. Ja, das
Waschbecken sah gut aus. Aber wer kann es einem Zimmermädchen schon verdenken, dass es die Klobrille zuvor mit demselben Tuch geputzt hat? Ich jedenfalls nicht. Im Royal gab es für jedes Zimmermädchen morgens frische Lappen, aber wer einmal mit vier verschiedenen Putztüchern versucht hat, ein Bad zu reinigen, wird wissen, wie lästig das ist. Und die Zahnputzgläser: natürlich auch derselbe Lappen. Oder auch keiner der Lappen, sondern die gebrauchten Handtücher, die der Gast auf dem Boden zurückgelassen hat. Das spart Zeit – und Zeit sparen geht Zimmermädchen über alles. Die Gläser aus der Minibar teilten das Schicksal ihrer Kollegen im Bad. Weil dieses Geschirr nicht in der Küche gereinigt wurde, sondern direkt im Zimmer, im Waschbecken, wurden auch diese Gläser mit dem Allzwecklappen ausgewischt. Privat habe ich niemals wieder ein Zahnputzglas oder ein Glas aus der Minibar benutzt, wenn ich unterwegs war. Und im Gepäck habe ich immer ein kleines Desinfektionsspray.
Was mich in den Zimmern, aus denen gerade erst die Gäste abgereist waren, zuerst überraschte, waren die Einkaufstüten. Unmengen von Einkaufstüten und Schachteln, die die weiblichen Gäste mitgebracht hatten und quer in den Zimmern verteilten: leere Tüten und Schachteln von Hermès, Gucci, Prada, Escada – die ganze Sex-and-the-City-Palette, achtlos durchs Zimmer geworfene Überreste ihrer Beutezüge durch die Boutiquen.
Hat mal jemand untersucht, wie hoch die Quote der arbeitenden Ehefrauen bei den fünf Prozent der reichsten Leute der Welt ist? Allzu hoch kann sie nicht sein.
Zumindest sahen die mitreisenden Frauen oft nicht so
aus, als müssten sie mit ihren perfekten Fingernägeln in die Tasten hauen oder auch nur mal zu Edeka gehen. Sie brachten Pelze und teure Taschen mit ins Hotel und verließen es nicht selten mit doppelt so vielen Pelzen und teuren Taschen.
Ich war oft versucht, mir eine dieser wunderschönen Einkaufstüten einfach mitzunehmen, weil sie selber schon edel und teuer aussahen. Würde ich mir je eines dieser Halstücher aus Seide von Hermès kaufen, ich bin mir sicher, ich würde nicht nur das Tuch, sondern auch die Schachtel und die Tüte hüten wie einen Schatz. Sie bekämen wahrscheinlich einen Ehrenplatz in meiner Kommode. Das Tuch läge dort in der Schachtel, und jedes Mal, wenn ich das Tuch tragen würde, würde ich es aus der Schachtel nehmen, als packte ich ein Geschenk zum allerersten Mal aus.
Die Tüten und Schachteln in den Zimmern waren ein trauriges Bild. Sie erschienen mir wie Mahnmale, die daran erinnerten, dass aller Reichtum doch nicht glücklich macht. Wie musste es wohl sein, wenn man ein Kleid für ein paar tausend Euro kauft, und zu dem Kleid ein zweites und ein drittes noch am selben Tag, und am Ende des Tages stopft man diese Kleider in einen Koffer, vergisst womöglich, wo man welches gekauft hat, vergisst es vielleicht bald im Kleiderschrank oder auch unter einem Hotelbett (das kam vor), weil man so viele hat und sich ständig neue kauft. Ob man sich dann überhaupt noch freuen kann?
Mein Vater hatte mir mal von einer Untersuchung erzählt, von der er
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