Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)
auftreten können, bin mir aber nicht sicher, ob Seiltänzerinnen besser bezahlt sind als Hotelfrauen.
Gleich neben unserem Zimmer waren die Service-Räume. Hier stapelten sich Handtücher und Laken. Dort stand auch ein mir bislang unbekanntes Gerät, eine ziemlich große Wäschemangel, die ich erst mal mit großen Augen ansah. Ich kenn dich zwar nicht, sagte ich zur Mangel, aber wir beide werden sicher noch viel Spaß haben.
Ich kam an einem Samstag an, als bereits alle Gäste
ausgecheckt hatten. Die neuen würden erst Sonntag zusteigen. Noch am ersten Abend machte mir meine neue Kollegin Eva, sie kam aus Bulgarien, ziemlich unmissverständlich klar, dass ich mich besser nicht auf eine Dauerparty einstellen sollte. Eva war groß, dunkelhaarig und fünf Jahre älter als ich. Sie war schon die dritte Saison auf dem Boot, und während wir zu zweit unsere Begrüßungspizza aßen, wollte sie keine Zeit verlieren, mich über das Leben an Bord aufzuklären.
In ihrem Briefing kam ziemlich oft der Name Helga vor. Helga macht dies, Helga macht jenes, Helga ist ganz furchtbar, vor Helga muss man sich hüten. Ihre Pizza Margherita wurde kalt, aber das kümmerte sie nicht. Helga. Im Vorstellungsgespräch war sie mir weder sympathisch noch unsympathisch gewesen, eine Frau um die fünfzig, mit kurzem, drahtigem Haar und einer Haut, die aussah, als habe sie schon die sieben Weltmeere bereist, mehrfach, auf dem Sonnendeck, gebräunt und faltig. Joachim, ihren Mann und Schiffskapitän, würde ich erst morgen kennenlernen, aber ich hatte bisher nicht das Gefühl, in der Höhle eines grausamen Löwen gelandet zu sein.
Die Route führte die Morgentau kreuz und quer durch Europa, über Flüsse, Kanäle und Seen. Die Gäste blieben meist eine Woche. Ich war erleichtert, dass die meisten von ihnen deutsch sprachen, denn ich traute meinen Fremdsprachenkenntnissen wirklich nicht über den Weg.
Beim Einschiffen, so hieß das, wenn neue Passagiere kamen, hatte ich tatsächlich das Gefühl, mich selbst in einer Fernsehserie zu sehen: Wir standen an der Reling,
winkten den Ankommenden zu und strahlten sie an. »Willkommen an Bord, Frau Bredemeyer, Herr Bredemeyer, hier geht es lang.«
Da kam viel Grau über die Brücke, manchmal etwas lilastichig, in jedem Fall äußerst gut gepflegt. An einem Sonntag im September stach ich also mit vierundzwanzig gut betuchten deutschen Rentnern in See und nahm Kurs auf Paris.
Es gab zwei Schichten auf der Morgentau : die Früh-und die Spätschicht. Eva und ich wechselten uns ab. Hatte sie Frühschicht, konnte ich eine Stunde länger schlafen und musste dafür abends länger arbeiten und umgekehrt. Ich begann mit der Frühschicht. Ich stand um halb sechs auf und bemühte mich, Eva nicht durch ungewolltes Anstoßen der im Zimmer herumliegenden Gegenstände zu wecken. Ich stieg in die kleine Dusche, drehte das heiße Wasser auf und schloss die Augen.
Als mich der eiskalte Strahl aus dem Duschkopf traf, konnte ich einen Schrei der Überraschung nicht unterdrücken. Mit einem Satz war ich wieder draußen aus der Dusche, nicht ohne mir dabei den Kopf zu stoßen, und hörte Eva im Zimmer lachen. »Warmes Wasser gibt’s erst, wenn der Generator läuft!« Sie kicherte immer noch. Der Generator? »Der Generator?« »Ja, die Strommaschine. Macht Joachim erst um sieben an.« War das zu fassen? Ich verzichtete an diesem Morgen auf eine Dusche und schwor mir, zum Abendduscher zu werden. So wie die Männer im Royal.
Meine erste Aufgabe: Brötchen holen. Wir lagen in einer Kleinstadt am Rhein. Tags zuvor waren wir von
Köln aus gestartet und ich hatte beim Ablegen dem Dom nachgeschaut. Wo war hier ein Bäcker? Als ich mir das Klapprad vom Sonnendeck holte und über die Reling hievte, hatte ich keinen blassen Schimmer, wohin ich fahren sollte. Um diese Zeit war noch niemand unterwegs, und es waren auch keine anderen Boote in der Nähe. Ich hatte Anfängerglück: Schon nach ein paar hundert Metern sah ich am Marktplatz ein leuchtendes Bäckereischaufenster. Es war ein sehr friedvoller Moment, es roch nach Wochenende, nach gemütlichem Zusammensitzen mit Freundinnen oder meiner Mutter. Ich kaufte dreißig helle und dreißig dunkle Brötchen, dreißig Hörnchen und vier Baguette. Es war gar nicht so einfach, die Tüten auf dem Klapprad in zwei Satteltaschen wieder zum Boot zu bringen. Ich war sehr stolz, dass ich nichts verlor.
Als ich zurückkam, wartete auf dem Schiff schon Joachim auf den ersten Kaffee. Er war ein
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