Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)
kurz darauf den nächsten Anruf der gebleachten Kollegin vom Empfang: »In der Junior-Suite sind nicht genügend Handtücher. Und das Hunde-Treatment fehlt auch. Ich dachte eigentlich, du denkst mit.«
Selbstbeherrschung ist mit das Erste, was man im Hotel lernt. Werde nie, nie, nie wütend oder aufbrausend oder zickig oder laut und schon gar nicht alles zusammen.
Ich bin ohnehin kein lauter Typ, niemand, der gerne mit möglichst viel Krach auf sich aufmerksam macht.
Und bei der Arbeit hätte ich es erst recht nicht gewagt, Krawall zu schlagen.
»Willst du mich verarschen?« Es war mir leise herausgerutscht, eher gemurmelt und zu mir selbst gesprochen. Ich war wütend genug, um meine Disziplin für den Bruchteil einer Sekunde zu vergessen.
Auf der anderen Seite vernahm ich nichts, und weil ich auch nicht wusste, was es jetzt noch zu sagen gab, legte ich einfach auf.
Es war klar, dass das ein Nachspiel haben würde. Vielleicht schon sehr bald, dachte ich, und war darauf gefasst, dass mein Telefon noch einmal klingeln und mich jemand aus der Rezeption nach unten beordern würde. Aber das Telefon blieb den Rest des Tages ruhig.
Stattdessen nahm mich eine Woche später Frau Gabriel zur Seite. Sie erzählte mir, dass die Empfangschefin mit ihr gesprochen hatte: »Schmeißen Sie die K. raus«, hatte die nur gesagt. Keine weitere Erklärung. Frau Gabriel wollte von mir wissen, was passiert war. Ich erzählte es ihr. Als ich fertig war, nickte sie nur. Sie warf mich nicht raus.
Sie brauchte es auch gar nicht. Ich wollte eh weg von hier. Weg von dem Ort, an dem Luxus auf Kosten derer ermöglicht wird, die ihn sich niemals würden leisten können: ein Fünf-Sterne-Hotel, das Zimmermädchen bezahlt wie Tagelöhner und das Praktikanten einstellt, die ein ganzes Jahr lang bleiben und die dabei nichts oder fast nichts verdienen. Das passt einfach nicht zusammen.
Bevor ich jetzt zur Klassenkämpferin wurde, würde ich es erst mal mit einem Jobwechsel versuchen. Am besten weit weg, am besten irgendwo, wo es keine Fremdfirmen
gab. Ich hatte mich umgesehen. Bald würde ich auf einem Schiff anheuern, vielleicht brachte mir das ja genügend Abstand zur Berliner Fünf-Sterne-Welt.
Die Empfangschefin habe ich in den letzten Wochen noch ab und zu gesehen. Ich habe sie jedes Mal allerhöflichst gegrüßt. Auch die Gebleachte grüßte ich bis zum letzten Tag so freundlich, wie es irgend ging.
Neu waren die kleinen roten Pusteln, die ich eines Morgens plötzlich auf meinen Händen und meinen Unterarmen entdeckte. Rechts und links. »Stärke-Allergie«, sagte Frau Gabriel, als ich ihr meine Arme zeigte. Sie war nicht überrascht. Man wäscht die Bettbezüge und Laken mit Stärke, damit sie weniger Falten werfen. Im Privaten gebraucht man Stärke seit ungefähr einer Generation nicht mehr, aber im Hotel hat sie überlebt. Wie so einiges, was sich anderswo längst schon überlebt hat.
Wenn es wirklich eine Stärke-Allergie war, dann hatte sie mich, was für ein merkwürdiger Zufall, zum idealen Zeitpunkt erwischt. Es würde eh bald Schluss sein mit Stärke.
An meinem letzten Tag im Royal waren Nadine und ich allerbester Laune. Wir checkten die Zimmer zu zweit, was wir sonst nie machten, und fotografierten uns gegenseitig: auf den Betten liegend, mit Staubschwert, im Badezimmer, auf dem Teppich. Wir machten uns lustig über das Hotel. Zum allerersten Mal.
Aber wir achteten darauf, dass dabei nichts zu Bruch ging und dass am Ende eines jeden Fotoshootings die Stühle wieder ordentlich auf der Teppichkante standen.
Willkommen an Bord
Meine Mutter war begeistert, als ich ihr die Idee mit dem Schiff erzählte. Sie selbst war mit achtzehn aus einem Städtchen mit fünfzigtausend Einwohnern nach Berlin gezogen. In ihrer Studentenzeit war sie viel unterwegs gewesen und nun freute sie sich, dass ich mich jetzt auch mal ins Ausland wagte.
Mein Englisch war damals gerade mal akzeptabel und mein Französisch reichte höchstens aus, um einen Milchkaffee zu bestellen. Noch reizvoller als die Idee, in andere Länder zu kommen, fand ich es, auf einem Schiff zu arbeiten. Ich kannte Passagierschiffe nur aus dem Fernsehen. Die Achtziger-Jahre-Serie »Das Traumschiff« hatte es mir angetan, als ich fünf oder sechs war. Ich sah die Serie auf der Couch mit meinen Eltern. Meine Vorstellung von einer heilen Welt hatte ziemlich viel mit diesen weißen Luxuslinern zu tun, die über die Weltmeere fahren.
Natürlich war mir klar, dass das richtig Arbeit
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