Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)
gemütlicher Typ, groß und breit gebaut. Er half mir mit dem Rad und schaute dabei zu, wie ich die Kaffeemaschine bediente. Er nahm dankbar die erste Tasse, nicht ohne genau einen halben Teelöffel Zucker zu verlangen. Mit der Tasse in der Hand verzog er sich in Richtung Büro. Das sollte unser Morgenritual werden. Bald war ich eine Meisterin darin, ihm die exakte Menge Zucker in den Kaffee zu kippen.
Jetzt trank auch ich eine halbe Tasse Kaffee – ich wusste ja nicht, dass das bis zur Nachmittagspause die einzige Gelegenheit sein würde. Ich bereitete das Buffet vor und fühlte mich ein bisschen wie damals im Central: Brot schneiden, Eier braten, die Platten anrichten. Mich wunderte,
dass der Koch sich nicht blicken ließ. Wenigstens erschien nach einer Weile sein Assistent und ging mir zur Hand.
Während die Gäste noch mit den Brötchen krümelten, setzte sich die Morgentau in Bewegung. Ein leichtes Schwanken machte sich bemerkbar und kurz überlegte ich, wie es wohl sein würde, einen Teller heiße Suppe rauszubringen, wenn draußen schlechtes Wetter war.
Gegen elf tauchte der Koch Hendrik auf, um die Salate für das Mittagsbuffet vorzubereiten. »Mach Platz, ich muss arbeiten«, raunzte er mich zur Begrüßung an, als seien wir alte Kollegen, die sich seit Jahren nicht ausstehen können. Sein Ton wurde nie viel freundlicher. Nach dem Frühstück deckte ich die Tische für das Mittagessen und versuchte, die Servietten in eine präsentable Form zu falten. Eva war derweil unter Deck damit beschäftigt, die Zimmer zu säubern und die Wäsche in der Mangel plattzuwalzen.
Um Punkt zwei Uhr, als die Gäste mit dem Essen fertig waren und sich draußen auf dem Deck verteilten, fiel ich ins Bett. Ich schlief, als sei es tiefe Nacht. Als ich um kurz nach vier aufwachte, dauerte es ein paar Sekunden, bis ich wusste, wo ich war und warum. Um halb fünf ging es weiter. Ich fühlte mich noch müder als vor dem Nachmittagsschlaf.
Auf der Morgentau habe ich mehr Kuchengabeln, Buttermesser und Saucenlöffel poliert als jemals zuvor, drehte sich doch der Tag der Gäste im Rhythmus der Nahrungsaufnahme. Ab dem Mittagessen tranken sich die ersten dem Aperitif entgegen, die anderen gingen nahtlos zum
Kuchen über und bestellten sich um fünf noch »etwas Kleines« aufs Sonnendeck, bevor sie dann gegen halb sieben schon fix und fertig fein gemacht auf das Abendessen warteten, das nie weniger als vier, manchmal fünf oder sogar sechs Gänge hatte. Es schien mir, als äßen sie in einem fort. Es war wie eine nicht enden wollende Familienfeier mit lauter Onkel und Tanten.
Einmal verschwand Eva hinter der Bar, und ich fragte mich, was sie da zu schaffen hatte. Sie kam mit einem gefüllten Colaglas zurück. Es dauerte eine Weile, bis ich feststellte, dass es Rotwein war. Ich merkte mir den Trick.
Gegen zehn Uhr am Abend, als nur noch ein Paar im Restaurant am letzten Glas Wein nippte, schnappten Eva und ich uns auch einen Teller. »Mensch, du bist so geizig«, schimpfte sie mit Hendrik, der uns verschlagen angrinste. »Der kocht extra nur so viel, wie die Gäste brauchen, und wir kriegen nichts ab.«
Hendrik war der wahrscheinlich hässlichste Mensch, den ich bisher in meinem Leben gesehen hatte. Er hatte Augen wie ein erstickender Fisch, und es sah aus, als habe er einen Buckel, dabei hielt er sich nur schlecht. Ein Jahr zuvor hatte er erfolglos versucht, sich Eva zu nähern, und seither rächte er sich an allen Frauen an Bord. Es wäre schön gewesen und für alle eine Erleichterung, dachte ich, wenn sich mal eine seiner erbarmte. Aber hier auf dem Schiff war in dieser Hinsicht nichts zu erwarten, und so war klar, dass sich seine Laune wohl nicht bessern würde.
Eva kratzte in einem riesigen Suppentopf herum und verteilte die Reste geschwisterlich auf unsere Teller.
»Da müsst ihr halt eher kommen, ihr Bauerntrampel«, sagte Hendrik. Eva ignorierte ihn, und ich tat es ihr nach. Halbkalte Kürbissuppenreste mit einem Stück Baguette im Stehen in der winzigen Schiffsküche. Es hat klasse geschmeckt.
Es wurde elf Uhr, bis Eva und ich uns nun beide mit einem Glas Wein aufs Sonnendeck verzogen. Unter uns plätscherte der Fluss. Kein Gast würde jetzt noch hier heraufkommen, Helga und Joachim waren schon im Bett und Hendrik hätte sich mal hier hinaufwagen sollen. Wenigstens das hatte er verstanden: Wer gehässig ist, darf abends nicht mittrinken.
Ich habe später nachgerechnet: Im Schnitt habe ich knapp hundert Stunden pro
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