Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)
und klingeln und unten an der Rezeption würden sie sich mächtig aufregen, warum ich nicht drangehe. Nach dem fünften Anruf würden sie
nach mir suchen lassen und schließlich ziemlich wütend sein, weil man eine Etage, auf der eine tote Angestellte herumgelegen hat, erst mal eine Weile nicht benutzen kann.
Ich hatte zwölf Zustellbetten an diesem Mittwoch, nur für den Vormittag. Ich schleppte nicht nur die Betten in die Zimmer, sondern auch zusätzliche Laken, Tagesdecken, Handtücher, Shampoo und Seife – alles eben, was dem Zustellgast sonst gefehlt hätte. Als ich die zwölf Zimmer endlich fertig hatte – ich fühlte mich, als bräuchte ich eine Dusche, eine Massage und einen großen Latte macchiato mit Vanillesirup –, rief mich der Empfang an: »Anna, hier ist Betty, machst du mal die 702 fertig? Die brauchen noch ein Bett dazu und ein Hunde-Treatment. Die Gäste stehen schon hier.« Betty klang wie immer leicht genervt. Genervt von mir. Das war der übliche Tonfall der festangestellten Rezeptionisten. Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, dass mal jemand »Danke« zu mir gesagt hätte oder »Bitte«. Betty war also gestresst von den Gästen, die schon da standen, ein bisschen zu früh natürlich, und darum nervte sie jetzt mich.
»Du dusselige Kuh, warum sagst du mir das mit der 702 nicht früher? Ich war eben in der siebten Etage, es hätte mir viele Wege erspart, wenn ich diese Information, die in deinem Computer sicher seit gestern Abend gespeichert ist, eine halbe Stunde vorher bekommen hätte.« Dachte ich mir, aber ich sagte nur: »Okay, mach ich.«
Und dann dachte ich weiter: Wenn es mich diesmal erschlägt, das Bett, dann war mein letzter Satz: »Okay, mach ich«, und das war definitiv kein schöner letzter Satz.
Ich hetzte also umgehend in die siebte Etage und zerrte das dreizehnte Zustellbett für diesen Tag aus dem Office. Es würde wieder zwanzig Minuten dauern, bis alles aufgebaut war, zwanzig Minuten, die mir später fehlen würden. Und dann auch noch dieses verdammte Hunde-Treatment, der Napf, Hundefutter und eine Decke, das musste alles nicht weniger hübsch arrangiert werden als die Sachen für die menschlichen Gäste. Zu dritt mit Hund in ein Zimmer, dachte ich, wieso kommen sie nicht gleich zu elft? Ich könnte auch das ganze Zimmer in ein einziges Matratzenlager verwandeln, so wie man es aus Berghütten kennt. Ob ich den Hotelmanager auf die Idee bringen sollte? Buchen Sie Berghütten-Zauber mitten in Berlin, zum Vorzugspreis für zweihundertneunzig Euro die Nacht, ein Käsefondue inklusive. Obwohl: Ich wollte gerne auf die Erfahrung verzichten, wie es in solchen Zimmern am Morgen danach riecht.
In der 702 ließ ich das Bett auf den Boden knallen, drückte es in die Ecke und rannte ins Office zurück, um Bettzeug, Handtücher und die Sachen für den Hund zu holen. Das Handy piepte schon wieder. Wo war die verdammte Hundedecke? Ich raffte das Bettzeug, angelte nach dem Hundenapf und sprintete wieder zum Zimmer zurück. Inzwischen war mir so warm, dass es hinter meinen Schläfen pochte. Handtücher ordentlich hinhängen, Kopfkissen klopfen, die Tagesdecke richtig falten, Hundedecke ausbreiten, Trockenfutter.
Ich habe sicher nicht mehr als zwanzig Minuten gebraucht, bis ich fertig war und dem Empfang meldete, dass das Zimmer nun beziehbar sei. Und was kam von
unten als Antwort auf den ganzen Stress? Womit wischte diese braungebrannte Blondine mit den gebleachten Zähnen allen Sinn meiner Arbeit hinweg? »Hat sich erledigt, wir haben ihnen die Junior-Suite gegeben. Hat zu lange gedauert.« Kein »Entschuldigung«, nicht mal ein »Sorry«, stattdessen jede Menge Vorwurf in der Stimme. »Zu lange gedauert«, Betty hatte das wirklich gesagt. Ich verspürte Lust, nach unten zu rennen, sie an ihren perfekt frisierten Haaren zu packen und nach oben in die siebte Etage zu zerren, um sie das Zustellbett aus Zimmer 702 wieder wegräumen zu lassen.
Sie wusste natürlich genau, dass ich den ganzen Mist jetzt mit dem gleichen Aufwand wieder zurückräumen musste, weil in der 702 nun kein Dreier und auch kein Hund übernachten würde.
Ich ließ mir beim Wegräumen etwas mehr Zeit. Ich war zu schwach, meine Arme zitterten und die Wut war einfach zu groß. Wie. Konnte. Sie. Das. Wagen. In solchen Momenten passieren Unfälle, dachte ich. Aber es passierte keiner, stattdessen war eine halbe Stunde später alles wieder so, als hätte es den Zwischenfall nie gegeben.
Dafür bekam ich
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