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Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)

Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)

Titel: Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna K.
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Woche gearbeitet. Zweieinhalb mal so viel wie ein normaler Angestellter. Mehr als Manager, die mit Achtzig-Stunden-Wochen prahlen, von denen sie sicher die Hälfte zumindest körperlich geruhsamer zubringen als ich. Ich kam auf einen Stundenlohn von etwas mehr als drei Euro – weniger als die Zimmermädchen im Royal, die zwei Euro fünfzig für ein Zimmer bekamen und zumeist zwei davon in einer Stunde schafften. Als mir das klar wurde, hätte ich mich fast an meinem abendlichen Rotwein verschluckt. In meinem Arbeitsvertrag stand etwas von einer Vierzig-Stunden-Woche, mit dem Zusatz, dass Überstunden nicht ausgeglichen oder bezahlt werden. So gesehen hatte also alles seine Ordnung.
    Ich war im Dauereinsatz. Jeden Tag. Zu jeder Zeit. Es gab keine Möglichkeit für uns, uns zurückzuziehen, dazu war das Boot viel zu klein. In den zweieinhalb Stunden
Pause am Nachmittag versuchten wir, ein bisschen Schlaf nachzuholen. Saßen wir kurz für eine Zigarette auf dem Sonnendeck, kam unter Garantie ein Gast vorbei und wollte einen Plausch halten, stand man nur sekundenlang am Bullauge in der Wäschekammer, kam mit Sicherheit Helga und fragte, ob man denn schon mit den dreißig Laken fertig sei. Ich fing nach ein paar Wochen an, abends Espresso zu trinken. Erst nur einen, später einen doppelten und bald schon einen vierfachen, um noch die Augen offen zu haben, wenn der letzte Gast sein Dessert bekam.
    Wir arbeiteten nicht nur rund um die Uhr, wir wurden auch rund um die Uhr beobachtet. Helga hatte ihr kleines Büro direkt hinter dem Restaurant. Dummerweise konnte sie durch eine Glasscheibe sehen, was im Restaurant vor sich ging. Den ganzen Tag hatte sie also, wenn sie wollte, freie Sicht auf Eva und mich. Und sie wollte. Und sie entdeckte ständig etwas, das ihr missfiel. Schenkte ich den Gästen nicht schnell genug Wein nach, konnte es passieren, dass sie persönlich nach der Flasche griff und zu den Gästen eilte, weil: »… das kann man ja nicht mit ansehen«. Schenkte ich schneller nach, war ich für ihren Geschmack zu freigiebig mit den Getränken, die die Gäste, weil sie ja all-inclusive gebucht hatten, nicht extra zahlen mussten. »Ich muss den Wein zahlen, nicht du.« Das wäre ja auch noch schöner, dachte ich.
    Für Eva war der Fall eindeutig: »Die ist eifersüchtig.« Wir saßen wieder oben auf dem Deck und betrachteten eine dieser wunderschönen südfranzösischen Kleinstädte, deren Namen ich immer sofort wieder vergaß, sobald wir
abgelegt hatten. Ich bin in Berlin aufgewachsen. Bis ich sechs war, stand die Mauer. Ich hatte ganz eindeutig ein Nachholbedürfnis für städtebauliche Schönheit. Sollte man nicht beim nächsten Halt an Land gehen und für immer bleiben? Eva und ich phantasierten häufig davon. Wir gründeten in Gedanken deutsche Bäckereien und bulgarische Restaurants, ohne wirklich backen oder kochen zu können (Hendrik wollten wir trotzdem nicht in unsere Aussteigerpläne einweihen) und ohne zu wissen, ob südfranzösische Kleinstädte überhaupt auf so etwas warten. Egal.
    »Joachim hat heute zu lange mit der Frau Bieber geplaudert.« Ich musste lachen. Frau Bieber war sicher eine nette Dame, aber keinesfalls der Typ Frau, auf den man so ohne weiteres eifersüchtig sein musste. Aber Eva hatte sicher recht. Joachim wäre wohl gerne ein »homme à femmes« gewesen. Er versuchte jedenfalls, jederzeit charmant zu sein, half ihnen in die Jacken, erkundigte sich nach ihrem Befinden und erzählte kleine Kalauer. »Parlez-vous Pommes frites?« und solche Späße. Besonders gerne flirtete er mit den jüngeren Gästen (die waren Ende fünfzig), und auch wenn er es nicht auf ein Abenteuer anlegte, so war Helga doch durch jeden Flirt ihres Mannes ein klein wenig gedemütigt. Den Frust, der daraus erwuchs, so Evas Theorie, ließ sie dann an ihren beiden Allround-Stewardessen aus, die ihr ja nicht entkommen konnten, es sei denn, wir hüpften in voller Montur ins Kanalwasser. Und das war eher trübe.
    Tatsächlich mochten Eva und ich Helgas Mann. Er war ausgeglichen, machte auch mit uns seine mittelguten
Späße, und wenn er uns mal in den Arm nahm, was er bei seiner Frau nie tat, zumindest wurde dergleichen in meiner Zeit auf dem Schiff nicht beobachtet, fanden wir nichts dabei. Es war eher ein väterliches In-den-Arm-Nehmen, kein lüsternes An-sich-heran-Drücken. Das kann man schon mal durchgehen lassen, fanden wir. Und ein bisschen Halt kann ja auch nicht schaden.
    Wir hatten vor allem Rentner an Bord,

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