Total Recall
Hotel, putzte überall Klinken, ging in Läden und Restaurants. »Das ist merkwürdig«, dachte ich. »Warum diese Absteige? Warum nicht ein richtig gutes Hotel?« Ich wusste noch nicht, dass am Anfang eines Wahlkampfs der Kontakt zum einzelnen Wähler im Vordergrund steht. Ich wusste nicht, dass das Wahlkampfteam nicht in einem großen Hotel absteigen kann, weil sonst garantiert in der Zeitung steht, dass der Kandidat das hart erarbeitete Geld seiner Spender sinnlos verschleudert. Ich wusste nicht, dass manche Veranstaltungen größer sind und andere kleiner und persönlicher. Das war so ähnlich, wie wenn man sich fragt, warum es in Venice in Kalifornien keine Hochhäuser gibt. Erst später lernte ich den Charme der kleinen Hotels zu schätzen.
Der Vorwahlkampf der Demokraten im Jahr 1980 entwickelte sich zu einer wahren Schlammschlacht. Ehe er ins Rennen ging, lag Teddy bei den Meinungsumfragen mit einem Abstand von mehr als zwei zu eins deutlich vor Präsident Carter. Er wurde von allen Seiten zur Kandidatur ermutigt. Journalisten schrieben, wie fähig und energisch er sei und dass er mit Leichtigkeit gegen Jimmy Carter gewinnen und die Wahl für die Demokraten entscheiden würde. Er konnte nichts falsch machen. Doch kaum machte er im November 1979 mit seiner Kandidatur Ernst, drehte sich der Wind. Die Angriffe gegen ihn waren grausam. Ich konnte kaum glauben, was da geschah. Es war auch keine Hilfe, dass Teddy in einem landesweit ausgestrahlten Interview auf CBS keine überzeugende Antwort auf die Frage geben konnte, warum er eigentlich Präsident werden wollte. Viele zweifelten an seinem Charakter, wegen des Autounfalls von 1969 auf Chappaquiddick Island, den er verursacht und bei dem eine junge Frau den Tod gefunden hatte. Viele behaupteten, dass er einfach nur vom Ansehen seiner Brüder profitiere.
Ich war entsetzt. Ich saß in der ersten Reihe und sah alles direkt vor meinen Augen ablaufen.
Als Teddy die entscheidenden ersten Vorwahlen in Iowa und New Hampshire verlor, versiegten auch die Spendenquellen, und er musste den Wahlkampf noch vor den Vorwahlen in den größeren Bundesstaaten drosseln. Dann kämpfte er sich wieder so weit nach vorn, dass er wichtige Staaten wie New York im März, Pennsylvania im April und – das hatte er auch Marias Anstrengungen zu verdanken – Kalifornien im Juni gewann. Allerdings verlor er Dutzende anderer Bundesstaaten, und in den Meinungsumfragen holte er Präsident Carter nie wieder ein. Am Ende gewann Teddy nur zehn von vierunddreißig Vorwahlen. Am ersten Tag des Parteitages der Demokraten im August war klar, dass Präsident Carter genügend Delegierte für die Nominierung hatte, und Teddy musste aufgeben.
Plötzlich, nach Monaten intensivsten Einsatzes, war alles vorbei. Maria war traurig und niedergeschlagen. Sie hatte in dieser Familie schon so viel Trauriges erlebt – beginnend mit Präsident Kennedys Ermordung, als sie acht war. Als Bobby Kennedy ermordet wurde, war Maria dreizehn, und im darauffolgenden Sommer kam es zu dem Unfall auf Chappaquiddick Island. Es folgte die Wahlniederlage ihres Vaters, der 1972 mit George McGovern für das Vizepräsidentschaftsamt angetreten war, und sein Scheitern 1976 in den Präsidentschaftsvorwahlen der Demokraten. Und nun musste die Familie mit Teddys gescheiterter Kandidatur eine weitere Niederlage hinnehmen.
Maria hatte sich mit Herz und Seele dem Wahlkampf verschrieben. Ich erlebte, dass die Politik alles bestimmen kann. Wenn man für das Präsidentenamt kandidiert, spürt man den Druck der Öffentlichkeit tagtäglich. Die nationalen und regionalen Medien verfolgen alles, was man sagt und tut, ständig wird man analysiert. Für Maria war es schwer zu ertragen, dass ihr Onkel Teddy das alles durchmachen musste und dann doch verlor. Ich war froh, ihr in dieser schwierigen Zeit zur Seite stehen zu können. »Du hast hervorragende Arbeit geleistet«, sagte ich, »wie du mit den Medien umgegangen bist. Und du hast für Teddy alles gegeben.« Maria aber fühlte sich in ihrer Sicht bestätigt, dass die Politik ihr keine Perspektive bot.
Ich überlegte mir, wie ich sie wieder aufheitern konnte, und entführte sie zu einem Urlaub nach Europa, wo wir uns in London, Paris und auf einer Rundreise durch Frankreich prächtig amüsierten. Bald fasste Maria wieder Mut, und ihre Begeisterung und ihr Humor kehrten zurück.
Maria hatte, ehe sie die Ostküste verlassen hatte, eine wichtige Entscheidung getroffen und einen neuen Weg in
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