Total Recall
meiner Vorliebe für Nixon herausplatzte.
Doch Sarge sagte nur: »Ja, die Menschen haben eben unterschiedliche Ansichten.« Er war Diplomat. Später erklärte ich ihm, warum ich Nixon bewunderte, dass das mit meiner Kindheit in Österreich zu tun hatte. Dort war der Staat allgegenwärtig, siebzig Prozent der Menschen arbeiteten für den Staat, und jeder wollte Beamter werden. Das war auch einer der Gründe gewesen, warum ich Europa verlassen hatte.
Sargent hatte Deutsch gelernt, weil er deutscher Abstammung war. In den dreißiger Jahren hatte er als Student mehrmals den Sommer in Deutschland und Österreich verbracht und war in Lederhosen mit dem Fahrrad von Dorf zu Dorf gefahren. In seinem ersten Sommer, 1934, hatte Hitlers Aufstieg noch keinen größeren Eindruck auf ihn gemacht. Doch bei seinem zweiten Aufenthalt, 1936, begegnete er Vertretern der SS, der SA und der Hitlerjugend, las, dass politische Gefangene nach Buchenwald deportiert wurden, und hörte sogar Hitler öffentlich reden. Als er Deutschland verließ, war er überzeugt, dass Amerika auf Distanz bleiben sollte. Diese Überzeugung war so stark, dass er 1940 in Yale mit Kommilitonen, darunter dem künftigen Präsidenten Gerald Ford sowie Potter Stewart, später Richter am Obersten Gerichtshof, die Antikriegsorganisation »America First Committee« gründete. Dennoch wurde Sarge noch vor Pearl Harbor im Jahr 1941 Soldat und diente den Krieg über in der Navy. Wir unterhielten uns oft auf Deutsch. Er sprach es nicht fließend, sang aber gern deutsche Lieder.
Die gemeinsamen Mahlzeiten in der Familie Shriver hatten so gut wie nichts mit dem gemein, was ich von meiner Erziehung her kannte. Sarge fragte mich beim Abendessen: »Was hätten Ihre Eltern gemacht, wenn Sie so mit ihnen geredet hätten, wie meine Kinder gerade mit mir?«
»Mein Vater hätte mir sofort eine Ohrfeige gegeben.«
»Habt ihr das gehört, Kinder? Arnold, wiederholen Sie das bitte. Wiederholen Sie es. Sein Vater hätte ihm eine Ohrfeige gegeben. Das sollte ich mit euch auch mal machen.«
»Ach, Daddy«, stöhnten die Jungen theatralisch und bewarfen ihn mit einer Scheibe Brot.
Dass am Essenstisch so viel Spaß gemacht wurde, gefiel mir. Als ich das erste Mal zum Abendessen dort war, erlebte ich, dass nach dem Essen einer der Jungen furzte, ein anderer rülpste und ein dritter samt Stuhl umkippte. Er lag am Boden und sagte: »O Mann, bin ich vollgefressen.«
»Das will ich in diesem Haus nie wieder hören!«, sagte Eunice.
»Tut mir leid, Mom, aber ich bin so satt. Du kochst einfach zu gut.« Das war natürlich schon wieder ein Witz. Eunice konnte nicht einmal ein Ei kochen.
»Seid froh, dass ihr etwas zu essen bekommt«, sagte sie.
Ungewöhnlich war für mich auch, dass die Shriver-Kinder in die Gespräche mit einbezogen wurden. Wenn sie über die Feiern zum 4. Juli sprachen, sagte Sargent: »Bobby, was bedeutet dir der 4. Juli?« Man unterhielt sich über politische Themen, soziale Probleme und Aussagen des Präsidenten. Jeder sollte sich am Gespräch beteiligen.
Obwohl Maria an der Ostküste und ich an der Westküste lebte, nahmen wir immer stärker am Leben des jeweils anderen teil. Als ich, nachdem ich ein Jahrzehnt lang Kurse absolviert hatte, meinen Abschluss in Wirtschaft mit Schwerpunkt Internationales Fitness-Marketing machte, kam Maria zu meiner Abschlussfeier nach Wisconsin. Sie begann ihre Fernsehkarriere und arbeitete zunächst in der Produktion regionaler Nachrichten in Philadelphia und Baltimore. Dort besuchte ich sie und war auch ein- oder zweimal in der Show ihrer Freundin Oprah Winfrey, die seit neuestem eine Talkshow in Baltimore hatte. Maria hatte immer interessante Freunde, und Oprah war wirklich etwas ganz Besonderes. Sie hatte Talent und Elan, und sie glaubte an sich. Für eine ihrer Sendungen kam sie mit Kamerateam zu mir ins Fitnessstudio und trainierte mit mir, um zu zeigen, wie wichtig Fitness ist. In einer anderen Show unterhielten wir uns über das Lesenlernen und wie man Kinder für Bücher interessiert.
Ich war stolz auf Maria, bewunderte, wie entschlossen sie sich ihren Platz eroberte. In ihrer Familie gab es keine Journalisten. Beim Vorstellungsgespräch fragte man sie: »Sind Sie bereit, vierzehn Stunden am Tag zu arbeiten, oder erwarten Sie als eine Shriver eine Sonderbehandlung?« Sie erwiderte, dass sie hart arbeiten wolle, und genau das tat sie auch.
Wir reisten gemeinsam nach Hawaii, Los Angeles, Europa. Als wir 1978 in Österreich
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