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Total Recall

Total Recall

Titel: Total Recall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Dürr (VS Mihr)
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sondern auch der lebende Beweis dafür, dass Krafttraining einen Menschen nicht zum Muskelprotz machen muss. Er benutzte oft und gern die Trizeps-Extensionsmaschine im Universal Gym mit 240 Pfund, als wäre es nichts. Wie athletisch er war, konnte ich im Schwertkampf bewundern.
    Die interessanteste Kampfszene findet zwischen ihm und Grace Jones statt. Sie spielte die Kriegerin Zula, die mit einem Kampfstock bewaffnet ist, mit dem sie ohne böse Absicht zwei Stunt-Leute ins Krankenhaus beförderte. Ich kannte sie aus Andy Warhols Umfeld in New York: 1,80 Meter groß, Model, Performancekünstlerin und gefeierte New-Wave-Musikerin, die ein unglaubliches Temperament an den Tag legen konnte. Sie hatte achtzehn Monate für die Dreharbeiten trainiert. Sie und Chamberlain gerieten in der Maske ständig in Streit. So stritten sie sich zum Beispiel ernsthaft darum, wer von ihnen wirklich schwarz sei. Als Wilt seine Kollegin einmal als »Afroamerikanerin« bezeichnete, ging sie in die Luft. »Nenn mich nicht Afroamerikanerin!« Sie war schließlich Vollblutjamaikanerin.
    Das Wohnmobil, in dem sich die Maske befindet, ist am Set für gewöhnlich der Ort, wo die Leute sich aussprechen, wenn irgendwo der Schuh drückt. Oft sind die Leute, wenn sie in die Maske kommen, aufgedreht und witzig, manchmal aber auch streitsüchtig. Wenn ein Schauspieler unsicher ist, weil er vielleicht in der nächsten Szene viel Text zu bewältigen hat, ist ihm seine Nervosität anzusehen. Manche Stars lassen die Maskenbildner in ihr Wohnmobil kommen. So etwas tue ich nicht. Warum sollte ich mich von den anderen absondern? Ich bin immer in die Maske gegangen.
    Der Durchschnittsbürger erzählt seine Sorgen seinem Friseur, der Schauspieler dem Maskenbildner, nur dass Schauspieler natürlich viel größere Probleme haben als der Durchschnittsbürger. »Die Szene, die ich heute drehen soll, will und will nicht klappen. Was soll ich denn noch machen?« Oder: »Ich habe da einen Pickel, wie werde ich den nur los?« Der Kamerachef hat der Schauspielerin schon gesagt: »Ich bin kein Chirurg. Ich kann den Pickel nicht entfernen.« Aber sie kann an nichts anderes denken und kommt daher noch einmal in die Maske. Man erfährt auch viel über das Privatleben der anderen. Die Schauspieler sind zwei, drei oder fünf Monate am Drehort, weit weg von zu Hause und der Familie. Da beschwert sich der eine oder die andere schon mal über die Kinder oder erzählt von der vermuteten Untreue des Ehepartners. Es wird heftig getratscht, und alle machen mit. Oft kommt der Regisseur vorbei, weil er sich um einen Schauspieler Sorgen macht. Manchmal sieht man Leute nackt dasitzen, weil sie für eine Szene eine Körperbemalung erhalten. In der Maske geht es oft lustig, oft aber auch hoch her. Doch die Streitigkeiten zwischen Wilt und Grace waren heftiger als alles, was ich seither wieder erlebt habe. Ich konnte ihre Feindseligkeit nicht nachvollziehen, aber die beiden kamen einfach nicht zur Ruhe.
    »Ich bin nicht wie du«, erklärte Grace gegenüber Wilt. »Ich komme aus Jamaika, ich spreche Französisch. Meine Vorfahren waren keine ungebildeten Sklaven.«
    Regelmäßig beschimpften sie sich gegenseitig als Nigger, was mich wirklich schockierte. Wilt sagte zum Beispiel: »Ich und schwarz! Du tickst wohl nicht sauber. Du bist schwarz. Ich wohne in Beverly Hills, habe weiße Nachbarn, ficke weiße Frauen, fahre dasselbe Auto wie die Weißen und habe genauso viel Geld wie sie. Ich bin nicht schwarz, verdammt noch mal, der Nigger bist du.« Einmal sagte ich: »Jetzt aber mal halblang, ihr beiden, bitte, wir sind hier in der Maske, hört auf zu streiten. In der Maske soll es entspannt zugehen. Bereitet euch lieber auf die nächste Szene vor. Schluss jetzt mit dem Theater. Außerdem«, fuhr ich fort, »habt ihr in letzter Zeit mal in den Spiegel geschaut? Wie kommt ihr auf die Idee zu behaupten, dass ihr nicht schwarz seid? Ich meine, ihr seid alle beide schwarz!«
    »Nein, das verstehst du nicht«, sagten sie, »das hat nichts mit der Hautfarbe zu tun. Es geht um die Einstellung, die Herkunft …«
    Ihre Argumente waren unglaublich kompliziert. Tatsächlich ging es nicht um die Hautfarbe, sondern darum, wer woher kam und sich wie integriert hatte. Es hatte etwas Komisches, diesen beiden Schwarzen zuzusehen, wie sie sich gegenseitig vorwarfen, schwarz zu sein. Später, auf der Party nach Abschluss der Dreharbeiten, lachten wir darüber. Grace und Wilt hatten sich zusammengerauft. Sie

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